Elementarteilchen by Houellebecq Michel

Elementarteilchen by Houellebecq Michel

Autor:Houellebecq, Michel [Houellebecq, Michel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832187712
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2015-01-13T05:00:00+00:00


12

»Ich habe Anne 1981 kennengelernt«, fuhr Bruno seufzend fort. »Sie war nicht besonders hübsch, aber ich hatte die Nase voll vom Wichsen. Immerhin hatte sie große Brüste, und das hat mir an ihr gefallen. Ich habe schon immer große Brüste gemocht …« Er seufzte wieder lange. »Meine puritanische Wohlstandstusse mit den großen Titten …« Zu Michels großer Überraschung füllten sich seine Augen mit Tränen. »Später sind ihre Brüste erschlafft, und unsere Ehe ist ebenfalls in die Brüche gegangen. Ich habe ihr das Leben versaut: Das ist etwas, was ich nie vergessen werde: Ich habe dieser Frau das Leben versaut. Hast du noch Wein?«

Michel ging in die Küche, um eine Flasche Wein zu holen. All das war ziemlich ungewöhnlich; er wußte, daß sich Bruno eine Zeitlang in psychiatrische Behandlung begeben hatte, dann hatte er die Behandlung abgebrochen. Man versucht in Wirklichkeit immer, den Schmerz zu verringern. So lange sich der Schmerz durch ein Bekenntnis lindern läßt, redet man; anschließend schweigt man, gibt auf, und man ist allein. Wenn Bruno erneut das Bedürfnis empfand, über sein gescheitertes Leben zu sprechen, erhoffte er sich davon vermutlich irgend etwas, einen Neubeginn; das war vermutlich ein gutes Zeichen.

»Sie war eigentlich gar nicht häßlich«, fuhr Bruno fort, »aber sie hatte ein völlig langweiliges Gesicht ohne jede Anmut. Sie hat nie jene Feinheit, nie jene leuchtenden Züge besessen, die manchmal das Gesicht eines jungen Mädchens erstrahlen lassen. Mit ihren etwas stämmigen Beinen kamen Miniröcke für sie nicht in Frage; aber ich habe sie dazu gebracht, hautenge kurze Pullis zu tragen und zwar ohne BH; es war sehr aufreizend, ihre großen Brüste zu sehen, die sich darunter abzeichneten. Anfangs war ihr das etwas peinlich, aber schließlich hat sie sich darauf eingelassen; sie hatte keine Ahnung von Erotik, von Reizwäsche, sie hatte einfach keinerlei Erfahrung. Aber ich erzähle von ihr, dabei kennst du sie doch, nicht?«

»Ich bin auf deiner Hochzeit gewesen …«

»Ach richtig«, sagte Bruno wie benommen vor Verblüffung. »Ich erinnere mich, daß mich dein Kommen sehr überrascht hat. Ich hatte geglaubt, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben.«

»Ich wollte nichts mehr mit dir zu tun haben.«

Michel dachte an jenen Tag zurück, fragte sich tatsächlich, was ihn dazu gebracht hatte, an dieser erbärmlichen Zeremonie teilzunehmen. Er sah die evangelische Kirche in Neuilly wieder vor sich, den fast kahlen, bedrückend nüchternen Raum, der gut zur Hälfte mit einer Gesellschaft gefüllt war, die ihren Reichtum nicht zur Schau stellte; der Vater der Braut hatte irgendeinen Posten in der Finanzwelt. »Sie waren Linke«, sagte Bruno, »wie alle damals übrigens Linke waren. Sie fanden es ganz normal, daß ich vor der Hochzeit mit ihrer Tochter zusammenlebte, wir haben geheiratet, weil sie schwanger war, na ja, das Übliche eben.« Michel erinnerte sich noch an die Worte des Pfarrers, die gut vernehmlich in dem kalten Raum hallten: Es war darin die Rede von Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, von dem Neuen Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hatte; auf jeden Fall hatte er Mühe gehabt, zu begreifen, worüber eigentlich im einzelnen gesprochen wurde.



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