Eine zu 85% wahre Geschichte. Roman by Chuck Klosterman

Eine zu 85% wahre Geschichte. Roman by Chuck Klosterman

Autor:Chuck Klosterman
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104013749
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2016-07-08T00:00:00+00:00


Gleich nördlich von Clarksdale, Mississippi, wo Highway 61 und Highway 49 sich kreuzen, wurde mit Hilfe satanischer Machenschaften die Seele des Rock ’n’ Roll geboren. Das ist die »Kreuzung«, an der Robert Johnson seine Seele dem Teufel verkaufte, um Gitarre spielen zu können wie kein Mensch vor ihm, auch wenn er als Preis dafür bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren muss. Satans überteuerter Gitarrenunterricht wurde zur Geburtsstunde des modernen Blues … und lieferte demzufolge auch die Bausteine für jeden Hard Rock-Song, der je aufgenommen wurde.

In Wirklichkeit war es natürlich ganz anders. Robert Johnson ist dem Teufel ungefähr so oft begegnet wie Jimmy Page, King Diamond und Marilyn Manson, das heißt, »nie«. Aber es bedeutet keineswegs, dass der Rock ’n’ Roll nicht hier erfunden wurde. Beim Rock ’n’ Roll geht es nur oberflächlich um Gitarrengriffe; eigentlich geht es um einen Mythos. Und die Tatsache, dass Menschen sich immer noch gern einreden, dass ein junger schwarzer Mann in den entlegenen Straßen von Coahoma County von Luzifer dämonische Kräfte erhalten habe (um sie dann in Musik umzusetzen), macht Johnsons Pakt mit dem Teufel so real wie irgendwas. Es wäre übrigens auch ein Beweis dafür, dass der Teufel ziemlich faul ist, denn Johnsons gesamtes musikalisches Schaffen besteht aus mickrigen neunundzwanzig Songs. Der alte Vielwisser Greil Marcus hat einige erstaunliche Gedanken über Mr Johnson niedergeschrieben, vor allem darüber, wie er selbst im Januar 1970 Johnsons Musik entdeckte, ein paar Wochen, nachdem er bei dem verhängnisvollen Rolling Stones-Konzert am Altamont Speedway bei San Francisco Tod und Zerstörung gesehen hatte. Marcus vergleicht seine Hörerfahrung bei Songs wie »Stones to My Passway« und »Four Until Late« mit einem Phänomen, das Herman Melville als »Schock der Erkenntnis« bezeichnete: Marcus merkte, dass er einen Bezug zu etwas fand, wozu er eigentlich gar keinen Bezug hatte. Er sagt, durch Robert Johnson habe er begriffen, dass er vom Rock ’n’ Roll die Schnauze voll hat. Das wundert mich, denn mich machen eben diese Songs von Robert Johnson nur schläfrig. 1995 habe ich Quincy das Robert Johnson Boxset zu Weihnachten geschenkt (aufgepeppt mit einer Discokugel), und wir wollten uns die Musik anhören, merkten aber sofort, dass (a) das Boxset zwei Aufnahmen von fast jedem Song enthält, immer direkt aufeinander folgend, und dass (b) selbst die Lieder, die technisch gesehen anders sind, genau gleich wie die anderen klingen. Ich mag Rock, der auf Blues basiert, aber ich hasse den blöden Blues; es macht mehr Spaß, Let it Bleed zu hören und sich dabei Johnsons Foto vorne auf der Box anzuschauen. Denn er hatte auf jeden Fall einen genialen Hut.

Ganz ähnlich wie die Stelle, an der Duane Allman starb, sieht auch die heutige Kreuzung nach gar nichts aus: Es sind zwei Highways, mehr nicht. Am Straßenrand liegen bei beiden Straßen Gerstenhalme, offensichtlich kommen hier die Erntewagen entlang. Ansonsten zeichnet sich die Kreuzung höchstens dadurch aus, dass eine Plakatwand aggressiv für die mikrochirurgische Rückgängigmachung von Vasektomien wirbt. Ich finde es komisch, dass ich die Robert Johnson-Kreuzung mit Hilfe meines GPS gefunden habe: Irgendwie sollte



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