Ein Traum von Schönheit: Estée Lauder by Laura Baldini

Ein Traum von Schönheit: Estée Lauder by Laura Baldini

Autor:Laura Baldini [Baldini, Laura]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2021-08-31T22:00:00+00:00


Manhattan, New York, Frühling 1941

Der Kellner stellte eine dampfende Suppenschüssel vor Estée auf den Tisch, während Charles ein Cocktailglas mit einem appetitlich angerichteten Fischsalat erhielt.

»Das ist ja Hering«, sagte er pikiert.

»Sie wollten einen cocktail de hareng«, antwortete der junge Mann höflich.

»Nein, ich habe einen Hummercocktail bestellt.«

»Wir bieten leider keine Hummercocktails an«, versicherte der Kellner. »Bloß cocktail de crabe und Heringscocktail. Sie haben Letzteres geordert.«

»Das habe ich ganz sicher nicht. Nehmen Sie das Zeug weg, und bringen Sie mir den Hummercocktail.« Ungehalten schob Charles das Glas zum Kellner zurück.

»Ich versichere Ihnen, dass wir keinen Hummercocktail auf der Speisekarte haben.«

»Wollen Sie mir damit sagen, dass ich kein Französisch verstehe?« Charles erhob erneut die Stimme. Er war sehr stolz auf seine Fremdsprachenkenntnisse und gab gerne damit an. Estée war davon überzeugt, dass er niemals zugeben würde, sich geirrt zu haben.

Der Kellner drehte sich Hilfe suchend zu seinem Vorgesetzten um. Estée folgte seinem Blick. Das Gesicht des Mannes am Empfang war finster. Er schien nur auf eine Gelegenheit zu warten, um Charles aus dem Lokal zu werfen.

»Was hältst du von Zwiebelsuppe?« Rasch schob sie den Suppentopf zu ihm und zog den Heringssalat zu sich. »Mir ist ohnehin zu viel Käse auf dem Weißbrot, das in der Suppe schwimmt«, schwindelte sie, denn sie liebte überbackenes Baguette. Heringssalat war nicht gerade ihre Lieblingsspeise, aber besser, sie aß das, als Charles noch einmal mit einem der Mitarbeiter des Lokals streiten zu hören.

»Du magst die Suppe nicht?«, fragte er.

»Der Heringssalat wäre mir lieber«, behauptete sie.

»Tja, wenn das so ist.« Er wandte sich an den Kellner. »Sie haben Glück gehabt, mein Freund. Ich hoffe, dass Sie uns wenigstens die richtige Hauptspeise bringen.«

Der Mann nickte und ging. Estée konnte hören, was er flüsterte, sobald er Charles den Rücken zugedreht hatte. »Ich bringe das, was bestellt wird und auf der Karte steht.«

Estée ergriff das Glas. Ihr Appetit war so groß, dass sie sich auch mit einem Butterbrot begnügt hätte.

»Bon appétit«, sagte Charles mit betont nasaler Aussprache. Grundsätzlich bewunderte Estée Menschen, die selbstbewusst und fordernd auftraten. Sie hatte es aber noch nie leiden können, wenn man andere herablassend behandelte. In diesem Moment mochte sie sich allerdings nicht mit Charles auf Diskussionen einlassen. Dazu war sie zu müde und zu hungrig, und außerdem schmerzte ihr Fuß immer noch.

»Lass es dir schmecken.« Sie drehte das geschliffene Cocktailglas aus Bleikristall zwischen ihren Fingern. Das Kerzenlicht fing sich darin und warf alle Farben des Regenbogens auf das weiße Tischtuch.

Das Glas weckte weitere Erinnerungen. Für einen Moment fand sie es zu fein, um daraus Fischsalat zu essen. Das Glas hätte es verdient, mit teurem Champagner gefüllt zu werden. Doch dann knurrte ihr Magen, und sie langte herzhaft zu.



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