Eden Academy - Du kannst dich nicht verstecken (German Edition) by Lauren Miller

Autor:Lauren Miller [Miller, Lauren]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Freundschaft, Smartphone, Liebe, Highschool, Elite-Internat, Future Fiction, Verschwörung
Herausgeber: Ravensburger Buchverlag
veröffentlicht: 2015-02-03T05:00:00+00:00

Ich verschlief das Frühstück und schaffte es nur knapp zum Praktikum. Ich dachte, nach ein paar Stunden Schlaf würde es mir besser gehen. Stattdessen wachte ich zitternd und mit schmerzenden Gliedern auf. Hershey war entweder nicht zurückgekommen oder hatte sich ins Zimmer und wieder hinausgeschlichen, ohne mich zu wecken. Wenigstens musste ich mich nicht auch noch mit ihr auseinandersetzen.

Im Praktikum machten wir Gruppenarbeit. Das war gut so, denn allein hätte ich heute nichts zustande gebracht. In meinem Kopf hämmerte es und meine Augenhöhlen fühlten sich an, als würden sie Hitze ausstrahlen. Wie in einer Endlosschleife schrie es in mir: Mein Vater ist nicht mein Vater! Mein Vater ist nicht mein Vater!

„Rory, könntest du bitte noch kurz hierbleiben?“, sagte Dr. Tarsus am Ende der Stunde. Sie formulierte es als Frage, als könnte ich Nein sagen.

„Klar“, sagte ich und ging zu ihrem Pult, während alle anderen hinausströmten.

„Ich überbringe sehr ungern schlechte Nachrichten“, sagte Tarsus, als wir allein waren. „Aber als deine Vertrauenslehrerin dachte ich mir, du solltest es von mir erfahren.“ Sie sah mich mit ihren undurchdringlichen schwarzen Augen an. „Hershey Clements ist nicht mehr Schülerin dieser Schule.“

Ich konnte das Gesagte nicht erfassen. „Was?“

Tarsus beobachtete mich genau. „Sie wurde heute Morgen ganz früh zu einer psychiatrischen Untersuchung in die Klinik gebracht. Ihre Ärzte haben vor wenigen Stunden empfohlen, sie von der Schule zu verweisen.“

Ich starrte sie an. „Was hat Hershey denn?“

Tarsus presste die Lippen aufeinander. „Ich kann selbstverständlich keine Einzelheiten weitergeben, Rory. Aber es scheint, als hätte der Stress unseres rigiden Lehrplans Hershey ein wenig … durcheinandergebracht.“

Dieses eine Wort bewies mir, dass da etwas faul war. Hätte Tarsus ein anderes Adjektiv benutzt, hätte ich ihr vielleicht geglaubt. Aber wenn Hershey eins nicht war, dann „durcheinander“.

„Vertrau mir, wenn ich sage, dass es in unser aller Interesse liegt – auch in deinem –, dass sie nicht mehr auf dem Campus ist. Aus Respekt vor Hersehys Privatsphäre bitte ich dich, es dabei zu belassen.“

Ich sollte ihr vertrauen? Im Leben nicht.

„Wo ist sie jetzt?“, fragte ich. „Ich will mir ihr reden.“

„Ich möchte dich sehr bitten, dich jetzt auf dein eigenes Wohlergehen zu konzentrieren und Hershey sich selbst zu überlassen.“

Wie schaffte die Frau es nur, alles wie eine Drohung klingen zu lassen? Ich erwartete, dass sie sich jetzt abwandte, wie sie es immer tat, wenn sie mit mir fertig war. Stattdessen streckte sie die Hand nach meiner Kette aus und drehte den Anhänger zwischen den Fingern. Ich widerstand dem Drang, ihr die Kette wegzuziehen, weil mir klar war, was für einen Eindruck das machen würde.

„Der pythagoreische Buchstabe“, sagte sie und sah mir in die Augen.

Ich lächelte höflich. Ich wollte ihr nicht die Genugtuung einer Reaktion verschaffen. „Aha.“

„Das Ypsilon“, sagte sie und ließ den Anhänger endlich los. „Pythagoras betrachtete es als Symbol für die Wahl zwischen dem Pfad der Tugend und dem Pfad des Lasters. Der eine führt zum Glück, der andere zu Selbstzerstörung.“ Sie legte den Kopf schief und zog die Mundwinkel ganz leicht nach oben. „Eine passende Wahl für jemanden wie dich.“

„Ich muss jetzt in die nächste Stunde“, sagte ich abrupt.

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