Dunkles Indien by Rudyard Kipling (übersetzt von Gustav Meyrink)
Autor:Rudyard Kipling (übersetzt von Gustav Meyrink)
Die sprache: deu
Format: epub
»Köpfe«
Ein Verbrecher mehr im Zentral-Zuchthaus
Hinterm alten Wall von Lehm:
Ein Dieb weniger vorn, an der Front da drauß,
Und des Reichs Ruh über all dem,
> Ihr Jungs,
des Reichs Ruh über all dem!
Denn wir tragen ja allein unsres Führers Schand
Auf uns fällt so Schuld, wie Fem,
Wenn die Hand wir tun vom geknebelten Land:
Ihr Jungs,
denn des Reichs Ruh über all dem,
Des Reichs Ruh über all dem!
I
Unversehens, urplötzlich hatte der Indus Hochwasser gebracht. Die Nacht vorher noch war er so seicht gewesen, daß man ihn bequem durchwaten konnte, eine Nacht später: und tosende Wassermassen, schmutzig und trüb, fünf Meilen breit, hatten die Sandbänke verschlungen und Uferdämme und Gelände weggerissen. Eine Sänfte, getragen von sechs bärtigen Männern, denen man ansah, daß sie an solche Arbeit nicht gewöhnt waren, machte halt auf dem weißen Sand, der die schimmernde Fläche begrenzte.
»Es ist Gottes Wille«, sagten sie. »Nicht einmal in einem Boot könnten wir wagen, überzusetzen. Zünden wir ein Feuer an und kochen wir das Essen; wir bedürfen der Ruhe.«
Sie spähten in die Sänfte; drin, von Fieber geschüttelt, lag sterbend der Deputatskommissar des Bezirkes Kot-Kumharsen. Sie hatten ihn hergetragen übers Land, die sechs Tapfern eines kriegerischen Grenzstammes, den er zu friedlicher Beschäftigung bekehrt hatte, ehe er selbst zusammengebrochen war am Fuße ihrer unwirtlichen Berge. Tallantire, sein Assistent, war neben ihnen hergeritten, bekümmert im Herzen und die Lider schwer von lange entbehrtem Schlaf. Drei Jahre hatte er unter dem Kranken gedient und ihn lie ben gelernt, wie Menschen, die ein hartes Leben zusammenführt, einander lieben lernen oder - hassen. Er beugte sich aus dem Sattel, hielt die Vorhänge der Sänfte auseinander und lugte hinein:
»Orde - Orde, alter Freund, hören Sie mich? Wir müssen warten, bis das Hochwasser fällt; eine böse Bescherung.«
»Ich höre«, kam's in leisem Flüsterton zurück. »Warten wir, bis das Wasser fällt. Ich glaubte, wir würden das Lager erreichen, ehe die Dämmerung anbricht. Polly weiß, daß ich komme; sie will mich noch einmal sehen.«
Einer der Sänftenträger starrte über den Fluß und erspähte ein kleines funkelndes Licht drüben in weiter Ferne. »Dort ist das Lagerfeuer und sein Weib«, raunte er Tallantire zu, »sie werden in der Frühe herüberfahren, denn sie haben gute Boote, Kann er so lange leben?«
Tallantire schüttelte den Kopf. Yardley-Orde rang bereits mit dem Tode; wozu seine Seele quälen mit Hoffnung auf eine Zusammenkunft, die doch nie mehr stattfinden würde?! Der Strom gurgelte an den Dünen, riß eine Sandklippe ein und brauste wie ein hungriges Ungetüm. Die Sänftenträger suchten nach trockenem Reisig in dem Gestrüpp der Kameldornbüsche; ihre Schwertgürtel klirrten, wie sie so dahinschlichen im nebligen Mondlicht; und Tallantires Pferd hustete, um anzudeuten, es wünsche eine wärmende Decke.
»Auch ich friere«, sagte die Stimme in der Sänfte, »ich glaube, es ist das Ende. Arme Polly!«
Tallantire ordnete die Decken des Sterbenden; Khoda Dad Khan sah es, zog seinen dicken Schaffellmantel aus und legte ihn über die Kissen. »Ich werde mich selber am Feuer wärmen, ich brauche ihn nicht«, sagte er. Tallantire nahm den erstarrten Körper seines Freundes in die Arme und drückte ihn an sich; vielleicht, wenn man Orde erwärmte,
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