Dunkle Flüsse des Herzens by Dean Koontz

Dunkle Flüsse des Herzens by Dean Koontz

Autor:Dean Koontz
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2011-12-05T16:00:00+00:00


Der Schmerz holte Spencer aus einem schwarzweißen Traum, voll surrealer Architektur und mutierter Biologie, der umso beunruhigender war, da es ihm an Farben mangelte. Sein gesamter Körper war eine Masse chronischer Schmerzen, die dumpf und unaufhörlich pochten, aber ein scharfer Schmerz direkt unter seinem Schädelknochen brach die Ketten seines unnatürlichen Schlafs.

Es war noch immer Nacht. Oder schon wieder Nacht. Er wusste es nicht.

Er lag auf dem Rücken, auf einer Luftmatratze, unter einer Decke. Seine Schultern und der Kopf wurden von einem Kissen und etwas unter dem Kissen gestützt.

Das leise Zischen und charakteristische unheimliche Leuchten einer Grubenlampe identifizierte die Lichtquelle irgendwo hinter ihm.

Das flackernde Licht enthüllte rechts und links vom Wetter geglättete Felsformationen. Direkt vor ihm lag eine Ebene, die er für die Mojave-Wüste hielt, überzogen mit einem Zuckerguss der Nacht, den die Strahlen der Lampe nicht schmelzen konnten. Über ihm erstreckte sich von einem Felsblock zum anderen eine zur Tarnung in Wüstenfarben getönte Zeltleinwand.

Ein weiterer scharfer Schmerz stach durch seine Kopfhaut.

»Bleiben Sie ruhig liegen«, sagte sie.

Ihm wurde klar, dass sein Kissen auf ihren übereinandergeschlagenen Beinen ruhte und sein Kopf in ihrem Schoß lag.

»Was machen Sie da?« Es erschreckte ihn, wie schwach seine Stimme klang.

»Ich nähe diese Wunde.«

»Das können Sie nicht.«

»Sie bricht immer wieder auf und blutet.«

»Ich bin doch keine Steppdecke.«

»Was soll das heißen?«

»Sie sind keine Ärztin.«

»Ach nein?«

»Oder sind Sie doch eine?«

»Nein. Bleiben Sie ruhig liegen!«

»Es tut weh.«

»Natürlich.«

»Sie wird sich entzünden«, sagte er besorgt.

»Ich habe Ihnen zuerst die Haare abrasiert und die Stelle dann sterilisiert.«

»Sie haben mir eine Glatze geschnitten?«

»Nur eine kleine Stelle, um den Riss.«

»Wissen Sie überhaupt, was Sie da tun?«

»Meinen Sie, was das Rasieren oder das Verarzten betrifft?«

»Sowohl als auch.«

»Ich habe gewisse Grundkenntnisse.«

»Autsch, verdammt!«

»Wenn Sie sich wie ein Baby anstellen, werde ich Ihnen eine Spritze geben und Sie örtlich betäuben.«

»Sie haben so was dabei? Warum haben Sie mir keine Spritze verpasst?«

»Sie waren bereits bewusstlos.«

Er schloss die Augen, ging durch einen schwarzweißen Ort, der aus Knochen bestand, unter einem Gewölbe aus Schädeln einher und öffnete die Augen wieder. »Na ja«, sagte er, »jetzt bin ich es nicht mehr.«

»Was sind Sie nicht?«

»Bewusstlos.«

»Sie waren es gerade wieder. Zwischen unserem letzten Wortwechsel und diesem sind ein paar Minuten verstrichen. Und während Sie ohnmächtig waren, habe ich weitergemacht. Ich bin fast fertig. Noch ein Stich, und Sie haben’s geschafft.«

»Warum haben wir angehalten?«

»Das Fahren ist Ihnen nicht gut bekommen.«

»Ist doch Blödsinn.«

»Sie mussten behandelt werden. Und jetzt brauchen Sie Ruhe. Außerdem reißt die Wolkendecke schnell auf.«

»Wir müssen weiter. Wer zuerst kommt, zeichnet zuerst.«

»Zeichnet? Ist ja interessant.«

Er runzelte die Stirn. »Habe ich ›zeichnet‹ gesagt? Warum wollen Sie mich verwirren?«

»Weil es so einfach ist. Da – der letzte Stich.«

Spencer schloss die verklebten Augen. In der düsteren Schwarzweißwelt stöberten Schakale mit menschlichen Gesichtern in den von Schlingpflanzen überwucherten Trümmern einer einstmals großen Kathedrale. Aus Räumen, die unter den Ruinen verborgen waren, drang das Weinen von Kindern.

Als er die Augen öffnete, lag er flach auf dem Boden. Sein Kopf ruhte nur noch auf einem ein paar Zentimeter hohen Kissen.

Valerie saß neben ihm auf dem Boden und betrachtete ihn. Ihr dunkles Haar fiel weich an einer Seite ihres Gesichts hinab, und im Licht der Lampe war sie sehr hübsch.



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