Drei mal wir by Laura Barnett

Drei mal wir by Laura Barnett

Autor:Laura Barnett [Barnett, Laura]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644314115
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-03-11T00:00:00+00:00


Erste Version

Insel

Griechenland, August 1975

Auf der Fähre von Athen aus sitzen sie auf dem Oberdeck, am Heck, wie sie es bei jenem ersten Mal getan haben. Die leuchtenden Nikon-Farben sind genau so, wie Jim sie von damals in Erinnerung hat. Das tiefblaue Meer, das ausgeblichene Gelb des Landes, das allmählich aus dem Blickfeld verschwindet, darüber das strahlende Azur des Himmels.

Er schließt die Augen, spürt die Sonne auf seinem Gesicht. Das Brummen des Schiffsmotors klingt wie das eines großen, gutmütigen Tieres, und es übertönt das Geplauder der anderen Fahrgäste. Eine Amerikanerin neben ihnen liest einem kleinen Kind aus einem Buch von Dr. Seuss vor. Eine griechische Familie auf der anderen Seite isst spanakopita und krümelnde Brocken Fetakäse. Er greift nach Evas Hand und erinnert sich, dass sie bei ihrem ersten Besuch ein blau-weiß gewürfeltes Kleid trug und ihre nackten braunen Füße in weißen Sandalen steckten. Es waren ihre Flitterwochen. Damals war alles so neu, und alles war noch möglich.

«Hast du immer noch dieses Kleid?», fragt er, ohne die Augen zu öffnen.

«Welches?»

«Das du in unseren Flitterwochen getragen hast. Blau-weiße Karos. Ich habe es schon seit Jahren nicht mehr gesehen.»

«Nein.» Sie lässt seine Hand los. Er hört, wie sie nach ihrer Handtasche greift, in den wohlgefüllten Tiefen kramt. «Ich hab es bei Jennifers Schultombola gespendet. Es war über zwanzig Jahre alt.»

Während das Schiff auf die Insel zufährt, bewegen sie sich zusammen mit den anderen Fahrgästen in Richtung Bug. Immer noch herrscht diese uralte Aufregung der Menschen, wenn Land in Sicht ist. Da, an der Hafenmündung, steht der zerfallende Wachturm, dort die mit Gestrüpp bestandenen Hügel, die sich über der Stadt erheben und so unerwartet grün wirken nach den staubig-heißen Straßen Athens. (Ein Athener, den sie damals auf der Fähre getroffen hatten, machte auf Englisch einen beeindruckend unflätigen Witz: «Es heißt, als Gott Athen gemacht hat, hat er seinem Darm freien Lauf gelassen und Beton geschissen.») Und da ist die Stadt selbst, wenn man diese kleine Ansammlung von Häuschen so nennen will, die sich stufenförmig wie ein Amphitheater rund um den Hafen erheben. Die Kuppel der Kirche, die Bar und die Taverne an der Hafenmauer, wo am späten Nachmittag alte Männer über ihrem Backgammon sitzen und irgendwas vor sich hin brummen.

Jim erinnert sich auch noch an die Esel. Altersschwach und von Fliegen geplagt, standen sie irgendwo angebunden in der Mittagshitze. Er hatte sich ziemlich darüber aufgeregt, doch zu seiner Überraschung hatte Eva gesagt, er solle nicht seine eigenen Ansichten auf andere Länder übertragen. Jetzt jedoch kann er nirgendwo Esel entdecken, und die Stadt scheint doppelt so groß geworden zu sein. Neue Häuser säumen die oberen Ränge. Einige sind noch unvollendet, nur Metallskelette, die aus nackten Betonklötzen ragen. Die Bars und Tavernen haben sich deutlich vermehrt. Ein paar Schritte von der Hafenmauer entfernt sitzt ein ganz in Weiß gekleidetes Paar unter einer gestreiften Markise und trinkt Cocktails. Aus der offenen Tür der Bar dringt Musik von Elton John.

Auf einmal steht klar und deutlich eine Erinnerung vor seinem inneren Auge. Er und Eva sitzen bei Sonnenuntergang am Hafen vor ihren Retsina-Gläsern.



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