Doktor Wassers Rezept by Lars Gustafsson

Doktor Wassers Rezept by Lars Gustafsson

Autor:Lars Gustafsson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2016-02-22T00:00:00+00:00


Die Schreib-

maschine

Der Poet. Er hieß Osvald Björk und tauchte einen Tag zu früh auf. Er war lang, hager und offensichtlich melancholisch, und er trug einen Wollpullover und einen schwarzen Bart. Was – wie ich später begriff – die Art war, wie man aussehen sollte. Wenn man Poet war. Und das war er ja. Er nahm es nicht im Geringsten übel, dass ich und Rick sein Zimmer für ein paar Tage geborgt hatten.

Mich und Rick in seinem Zimmer vorzufinden nahm er offenbar als eine der selbstverständlichen Überraschungen und Mühen des Lebens hin.

Ich dankte ihm herzlich für seine Gastfreundschaft und fragte, wie ich sie ihm entgelten könnte. Er antwortete, er wäre völlig zufrieden, wenn ich ein paar von seinen Gedichten lesen und ihm sagen würde, wie ich sie fand.

Indessen war ein anderes Zimmer frei geworden. Aufgrund des militärischen Kurses für die Mediziner. Diese Militärkurse schienen fast genauso dicht aufeinander zu folgen wie Regenschauer.

Mittlerweile hatte ich begonnen, mich mit den Medizinern bekannt zu machen. Diese Leute hatten viel zu tun. Sie studierten bis tief in die Nacht hinein und fragten einander endlose Listen von Fakten aus verschieden dicken Lehrbüchern ab. Die Schauer ihrer Kurse folgten, wie gesagt, dicht aufeinander, und es war offenbar eine Katastrophe, an mehr als einem zu scheitern. Niemand fragte, woher ich eigentlich kam. Sie schienen davon auszugehen, dass ich auf die eine oder andere Weise zum medizinischen Bereich gehörte.

Sie stellten in Aussicht, dass ich bestimmt ein Zimmer auf Dauer bekommen könnte, wenn ich nur mit der Vorsteherin spräche. Also tat ich das.

Das Rosénska-Studentenwohnheim war Ende des 19. Jahrhunderts von einem steinreichen alten Herrn, einem Mitglied des Missionsbunds, gestiftet worden, Johannes Roséen, und sollte wohl so etwas wie ein Asyl darstellen, einen Zufluchtsort für erweckungschristliche Jugendliche vor den gefährlichen Versuchungen der Universitätsstadt.

Ich benötigte nicht viele Tage in dem Heim, um herauszufinden, dass man es damit nicht so genau nahm. Die Besuche bei den weiblichen Gästen waren zahlreich. Das konnte man aus den Geräuschen schließen. Die ganze Reihe der Zimmer war durch und durch hellhörig, so sehr, dass man das meiste, was geschah, durch die Zwischenwände hörte. Und aus den fröhlichen Liedern aus den Zimmern der Mediziner in der einen oder anderen Nacht nach geglückten Freitagsschauern erkannte man, dass offenbar sogar so manche Flasche ihren Weg in das Heim fand.

Es gab eine strenge Hausordnung, sehr streng, die in der Kantine aufgehängt war. Aber etwas von der Strenge schien mit der Zeit gelockert worden zu sein.

Osvald war eine ziemlich faszinierende Person. So jemand war mir noch nie untergekommen. Und oben in der Reifenwerkstatt in Björklunden hätte er wohl für weit aufgerissene Augen gesorgt.

Sein Zimmer war, abgesehen von dem Allernotwendigsten, ein Bücherlager. Das Einzige, woran ihm sonst anscheinend lag, war seine Schreibmaschine – ein großer alter Klapperkasten, der mir anfangs gar nicht aufgefallen war, da er sich unter einer grünen Schabracke verbarg. Wie ich später erfuhr, hatte sie einst der Redaktion der Tidningen Upsala gehört, war aber einer Modernisierung zum Opfer gefallen und hier gelandet. Vermutlich hatte man sie durch eine Olivetti Praxis 48 oder ein anderes elektrisches Wunderwerk mit Kugelkopf ersetzt.



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