Die verschleierte Frau by Hans Heidsieck

Die verschleierte Frau by Hans Heidsieck

Autor:Hans Heidsieck [Heidsieck, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-07T00:00:00+00:00


Edmond Darracot stieß einen Fluch aus. Er zerknitterte das Blatt zwischen den Fingern. Dann rief er in der Pension an.

„Fräulein Amantes ist abgereist!“ wurde ihm mitgeteilt.

Edmond biß die Zähne zusammen. Mit zitternden Fingern legte er den Hörer in die Gabel zurück.

Kommissar Hull arbeitete mit Verbissenheit. Diese verschleierte Frau brachte ihn noch zur Verzweiflung. Aber er hatte wenigstens eine neue Spur. Nach langen Recherchen gelang es ihm, festzustellen, wer jene Dame, die sich bei dem Staatsanwalt hatte anmelden lassen und dann wieder verschwunden war, gewesen sein konnte. Es handelte sich um ein Mannequin aus einem der ersten Londoner Modehäuser. Übrigens stand sie auch auf der Liste der dreizehn Damen, mit denen der verstorbene Prokurist seinerzeit Beziehungen angeknüpft hatte. Er hatte diese Dame natürlich auch seinerzeit gleich vernommen, ohne damals zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Er suchte sie jetzt zum zweiten Mal auf. Der Geschäftsführer des Modehauses zeigte sich nicht wenig erstaunt, als er in dem Besucher den berühmten Kommissar Hull erkannte.

„Die Dame führt eben einem Kreise auserlesener Kundinnen die neuesten Modellkleider vor!“ sagte er.

„Soll ich sie sofort rufen lassen?“

Hull überlegte. „Nein“, sagte er dann, „wir wollen es nicht so auffällig machen. Ich warte schon einen Augenblick.“

Der Geschäftsführer blickte ihn geradezu dankbar an. „Ja, ganz unauffällig, natürlich!“ erwiderte er.

„Nehmen Sie bitte Platz, Herr Kommissar!“

Hull blätterte in einer Modenzeitschrift. Der Geschäftsführer verschwand. Endlich kehrte er mit der Dame zurück. Es war eine stattliche, gut gewachsene, elegante Erscheinung von einer auffallend blassen Schönheit. Als sie Hulls ansichtig wurde, zuckte sie merklich zusammen.

„Ich bitte Sie, uns allein zu lassen!“ sagte der Kommissar zum Geschäftsführer.

„Hören Sie, Miß“, sagte er dann zu dem Mädchen, „Sie haben sich vor einigen Tagen bei dem Staatsanwalt Evans anmelden lassen, sind dann jedoch ohne ersichtlichen Grund plötzlich wieder verschwunden. Stimmt das, oder nicht?“

Das Mädchen hatte den Kopf gesenkt. Es wagte Hull nicht mehr anzublicken. Er bemerkte, wie ihre Hände zu zittern begannen und wie sie sich unwillkürlich an einen Glasschrank lehnte.

„Ja!“ hauchte sie endlich. „Ich war es. Sie zu belügen, hat ja doch keinen Zweck.“

„Es ist gut, daß Sie das einsehen“, erwiderter Hull und betrachtete sie mit seinem durchdringenden Blick. „Nun darf ich vielleicht auch den Grund Ihres sonderbaren Verhaltens hören?“

„Ich wollte mit dem Herrn Staatsanwalt sprechen, aber dann — dann habe ich mich doch plötzlich wieder anders besonnen.“

„Sie wollten ihm ein Geständnis machen?“

Das Mädchen schwieg. Mit gefurchter Stirn blickte es vor sich auf ein Teppichmuster.

„Reden Sie bitte!“ sagte Hull streng.

„Herr Kommissar“, erwiderte die Gefragte nach langer Pause, während der sie offenbar einen inneren Kampf mit sich ausfocht. „Ich wollte dem Herrn Staatsanwalt sagen, daß ich die Frau war, die auf Mister Darracot schoß.“

Hulls Miene blieb unbeweglich. „Also Sie waren es? Hm — dann dürfen Sie mir es nicht übel nehmen, wenn ich Sie für verhaftet erkläre!“

„Damit habe ich schon gerechnet, als ich Sie sah“, erwiderte das Mannequin mit blassen Lippen.

„Wir werden wohl besser tun“, meinte Hull, „die Vernehmung in Scotland Yard fortzusetzen. Machen Sie sich bereit.“

Der Geschäftsführer wurde wieder gerufen. Der Kommissar teilte ihm mit, worum es sich handelte. Die Verhaftete verließ mit Hull zusammen in möglichst unauffälliger Weise das Haus.



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