Die unsichtbare Loge by Jean Paul

Die unsichtbare Loge by Jean Paul

Autor:Jean Paul
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Achtundzwanzigster oder Simon Judä-Sektor

Gemälde – Residentin

Vorgestern (den 26. Oktober) war dein Namentag, Amandus! Hast du wohl in deinem Leben einen mit freudigen Augen gefeiert? Hast du je am Ende eines Jahrs gesagt: möge das neue ebenso sein? – Ich will nicht darauf antworten, um nicht trauriger zu werden ....

Gustav sah nichts mehr im Garten, als was er nicht suchte, den Fürsten und dergleichen; er trug unnötiges, d.h. verliebtes Bedenken, sich bei jemand über Beatens Unsichtbarkeit zu erkundigen – bei den zwei Gärtners-Kindern ausgenommen, die nichts wußten, als daß Beata, wie er, noch immer mit ihnen tändle und sie beschenke. Vielleicht gab sie ihnen, weil er ihnen gab; denn er gab ihnen, weil sie es tat. Die einzigen Reliquien von ihr, ihre Spazierwege, zogen ihn desto öfter an sich. O wäre doch der Kies weicher oder das Gras länger gewesen, damit beide ihm den matten Abriß einer Spur, daß sie dagewesen, aufgehoben hätten; so würde dieser Dornengarten seiner Unsichtbaren seinen Wünschen noch größere Flügel, und seiner Wehmut größere Seufzer gegeben haben. Denn ich muß es nur einmal dem Leser und mir gestehen, daß er jetzt in jenem schwärmerischen, sehnenden, träumenden Zustand war, der vor der erklärten Liebe ist. Dieser Traumflor muß über ihm gelegen haben, da er einmal statt des Schlangenbachs im Abendtal, den er zeichnen wollte, die schöne Statue der Venus, die aus diesen Wellen gezogen schien, abgerissen hatte; und zweitens, da er nicht sah, wer ihn sah – die Residentin. Er kam ihr vor wie ein schönes Kind, das fünf Fuß hoch gewachsen ist; er konnte mit allen seinen innern Vorzügen noch nicht imponieren, weil auf seinem Gesicht noch zu viel Wohlwollen und zu wenig Welt geschrieben war. Mit jener scherzhaften Koketten-Freimütigkeit, die die erstgeborne Tochter der Koketten-Geringschätzung des männlichen Geschlechts ist, sagte sie: »Ich geb' Ihnen für die Zeichnung das Original« und nahm die erste und besah sie mit schöner (über etwas anders) denkenden Bewunderung. Oefel, dem ers erzählte, schalt ihn, daß er nicht fein gesagt hatte: »Welches Original?« Denn er hatte zur lebendigen Venus nichts gesagt.

Er war es auch nicht imstande; denn sie stand vor ihm mit allen Reizen, die einer Juno bleiben, wenn man ihr die holde Farbe der ersten Unschuld nimmt, mit ihrem Plümagen-Walde, den ihr in Unterscheerau hundert nachtragen, weil sie mit wenigen meiner Leserinnen, die auch mehr Federn aufsetzen, als sie in ihrem Leben Federn schließen werden, so viel herausgebracht haben, daß jede Juno eine Göttin und jede Göttin eine Juno sein und daß man Damenköpfe und Klaviere stets bekielen müsse.

Sie fragte ihn nach dem Namen seines Zeichenmeisters (des Genius); seinen eignen sagte sie ihm selbst. Sie konnte Achtung sich erwerben, bei allen ihren Fehltritten, und ihre Sünden und der Teufel schienen ihr nur als Kammermohren nachzutreten; ihr Gesicht wie ihr Benehmen trug das innere Bewußtsein ihrer nachgebliebnen Tugenden und ihrer Talente. Gleichwohl merkte sie an der scheuen Ehrfurcht, die Gustav weniger ihrem Stande und Werte als ihrem Geschlecht erwies, daß er wenig Welt habe. Sie verließ alle Umwege und ging ihn geradezu um eine Abzeichnung des ganzen Parks für ihren Bruder in Sachsen an.



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