Die Trostbriefschreiberin by Paul Michael

Die Trostbriefschreiberin by Paul Michael

Autor:Paul, Michael [Paul, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: BookRix
veröffentlicht: 2023-05-11T00:00:00+00:00


11

Noch aufgewühlt von dem zweistündigen Gespräch mit ihrer Freundin blies Mel die Kerze aus. Doch an Einschlafen war nicht zu denken. Sie öffnete die beiden Fensterflügel. Vom Tor unten war nichts mehr zu hören. Die Gedanken fuhren Karussell mit ihr. Alles drehte sich, war verworren. Die Dinge schienen so zu sein, wie sie nicht sein durften, das führte direkt in eine Katastrophe. Sie sah Scholastika vor ihren Augen, doch sie war nicht im Kloster. Um ihre schwarze Ordenstracht wehte ein dichter weißer Nebel. Was hielt sie da in Händen? Scheinwerferlicht von irgendwoher drehte sich über ihr wie von einem Leuchtturm. So erleuchtete der Nebel abwechselnd gleißend hell und verdunkelte sich wieder. Sie folgte Scholastika. Mel blickte an sich herab und sah, dass sie barfuß war. Sie spürte den eiskalten Boden unter sich. »Weiter, weiter!«, rief Scholastika plötzlich und drehte sich zu ihr um. Mel gefror das Blut in den Adern. Das Gesicht der Nonne war giftgrün und ihre weit aufgerissenen Augen leuchteten feuerrot. »Nehmt uns mit! Nehmt uns mit!«, riefen plötzlich viele helle Frauenstimmen. Verzweifelt schaute Mel sich um und versuchte, die Frauen in den Nebelschwaden zu finden. Und dann sah sie sie! Hinter einem hohen Stacheldrahtzaun standen sie und winkten Mel zu. Als Mel die Frauen in ihren weißen, im Wind wehenden Hemdchen fast erreichte, sah sie erst ihre traurigen Gesichter. Blutrote Tränen liefen ihnen über die Wangen. Ihre unförmigen, dunklen Münder waren weit aufgerissen. Dann ergriffen plötzlich alle gleichzeitig den Draht des Zauns. Es gab einen lauten Knall, ein Blitz durchfuhr sie, ließ ihre Körper zappeln und zittern, dann sanken sie leblos zu Boden. Von ihren Haaren stieg leichter weißer Rauch auf. Scheinwerfer drehten sich über ihren toten Körpern und Mel hörte Scholastika hinter sich teuflisch laut lachen. Plötzlich krachte ein Schuss und Glas splitterte! Mel schreckte schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd aus dem Traum auf. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und stand auf, ging zum Fenster und holte tief Luft. Ihr Kreislauf erholte sich gerade, als sie erneut diesen Knall im Haus hörte. Und es war eindeutig nicht das kaputte Aggregat in der Küche.

Sie nahm ihr Handy, schaltete die Taschenlampe darin an und verließ ihr Zimmer. Auf Zehenspitzen schlich sie durch den stockdunklen Lichthof, den schmalen Gang, die kleine Treppe hinauf und schaute vorsichtig um die Ecke in den langen Gang. Alles war ruhig, nirgends etwas zu sehen. Sicher hatte sie sich das alles nur eingebildet. Der Traum hatte ihr wohl einen Streich gespielt. Sie sah auf ihr Handy: 04:45 Uhr. Na toll, das war es dann ja wohl mit Schlafen! Sie beschloss, hinunter auf die Toilette zu gehen, wenn sie schon hier war. Der gruselige Traum würde bis dahin auch vergessen sein. Ihre Füße waren ohnehin schon eiskalt. Als sie durch den Treppenturm das Erdgeschoss erreichte, sah sie im Gang ein merkwürdiges gelblich flackerndes Licht. Und dann roch sie es auch.

»Hilfe! Es brennt!« Sie riss die große Tür auf und sah ein Feuer, das mitten auf dem Boden des breiten Flurs brannte. Die Wände oder die Decke hatte das Feuer noch nicht erreicht.



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