Die Sonne im Gesicht: Ein Mädchen in Afghanistan (German Edition) by Deborah Ellis

Die Sonne im Gesicht: Ein Mädchen in Afghanistan (German Edition) by Deborah Ellis

Autor:Deborah Ellis [Ellis, Deborah]
Die sprache: deu
Format: azw3
Herausgeber: cbj TB
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00


9. Kapitel

»Shauzia?«, flüsterte Parvana.

»Nenn mich Shafiq! Und wie soll ich dich nennen?«

»Kaseem. Was machst du hier?«

»Dasselbe wie du, Dummkopf. Aber ich muss zum Teestand zurück. Bleibst du noch eine Weile hier?« Parvana nickte. »Gut. Ich komme später wieder!«

Shauzia nahm ihr Tablett und rannte zum Teegeschäft zurück. Parvana starrte verblüfft ihrer alten Klassenkameradin nach, die sich unter die anderen Teejungen mischte. Sie musste sehr genau hinsehen, damit sie ihre Freundin von den anderen unterscheiden konnte. Dann fiel ihr ein, dass sie besser nicht so angestrengt hinstarren sollte, weil sie sonst jemand fragen könnte, was sie so aufgeregt anschaute! Also blickte Parvana weg und Shauzia tauchte in der Menge unter.

Shauzia und Parvana waren in der Schule nicht besonders gute Freundinnen gewesen. Parvana glaubte, sich zu erinnern, dass Shauzia sehr gut rechtschreiben konnte, aber sie wusste es nicht mehr so genau.

Es gab also noch andere als Jungen verkleidete Mädchen wie sie hier in Kabul. Parvana versuchte, sich zu erinnern, wen sie aus Shauzias Familie noch gekannt hatte, aber ihr fiel niemand mehr ein.

Bei den letzten beiden Kunden dieses Tages war Parvana mit den Gedanken ganz woanders, und sie war froh, als sie Shauzia endlich herbeilaufen sah.

»Wo wohnst du?«, fragte Shauzia. Parvana zeigte in die Richtung, in der ihre Wohnung lag. »Packen wir zusammen und gehen wir, während wir reden. Da, ich hab dir was gekauft!« Sie drückte Parvana ein Stück Papier in die Hand, in das ein paar getrocknete Aprikosen gewickelt waren. Seit Ewigkeiten hatte Parvana so etwas nicht mehr gegessen! Sie zählte die Früchte, es war genau eine für jeden in der Familie und eine extra, die sie jetzt gleich essen konnte. Parvana biss hinein und wunderbare Süße füllte ihren Mund.

»Danke!« Sie steckte die restlichen Aprikosen in die Brusttasche zu dem heute verdienten Geld und begann zusammenzupacken. Heute lag kein kleines Geschenk auf der Decke. Aber das machte nichts. Shauzia zu treffen, war doch wirklich genug für einen Tag!

»Wie lange machst du das schon?«, fragte Shauzia, als sie den Markt verließen.

»Einen Monat ungefähr. Und du?«

»Sechs Monate. Mein Bruder ist in den Iran gegangen, um Arbeit zu suchen, das war vor fast einem Jahr. Wir haben nichts mehr von ihm gehört. Mein Vater starb an Herzversagen. Deshalb muss ich arbeiten gehen.«

»Meinen Vater haben sie verhaftet.«

»Habt ihr etwas von ihm gehört?«

»Nein. Wir sind zum Gefängnis gegangen, aber sie haben uns dort überhaupt nichts gesagt. Wir haben nichts mehr über ihn erfahren.«

»Werdet ihr vielleicht auch nicht mehr«, sagte Shauzia. »Die meisten Menschen, die verhaftet werden, verschwinden spurlos, ohne dass man je wieder etwas von ihnen hört. Sie sind einfach weg. Ich habe einen Onkel, der auch verschwunden ist.«

Parvana packte Shauzia und zwang sie, stehen zu bleiben. »Mein Vater kommt zurück!«, sagte sie. »Er kommt zurück!«

Shauzia nickte. »Ja, ja! Bei deinem Vater ist das anders. Wie geht das Geschäft?«

Parvana ließ Shauzias Arm los und ging weiter. Es war viel einfacher, über das Geschäft zu sprechen, als über ihren Vater. »Manche Tage sind besser, manche sind schlechter. Verdienst du viel als Teejunge?«

»Nicht viel. Es gibt so viele Teejungen, deshalb zahlen sie uns nicht gut.



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