Die Schweigende by Ellen Sandberg

Die Schweigende by Ellen Sandberg

Autor:Ellen Sandberg [Sandberg, Ellen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Penguin Verlag
veröffentlicht: 2020-10-26T23:00:00+00:00


Imk e

Imke legte das Telefon zurück in die Ladeschale und setzte sich zu ihrem Mann und den Kindern an den Frühstückstisch. »Alles in Ordnung mit deiner Mutter?«, fragte Moritz.

»Sie ist völlig neben der Spur. Stell dir vor, Anne will den Pflichtteil einklagen. Dann muss Mama das Haus verkaufen. Und jetzt hat sie die Idee, Geli könnte Anne das Geld für die Firma leihen.«

»Und du sollst das einfädeln?«

»Ich werde nur vorfühlen. Fragen muss Mama sie dann schon selbst. Das nehme ich ihr nicht ab.«

»Tante Anne will, dass Oma das Haus verkauft?«, fragte Steffi. »Wo soll sie dann wohnen?«

»Wenn es nach Anne geht, in einem Altenheim«, sagte Imke. »Aber diese Rechnung hat sie ohne mich gemacht. Ich werde nicht zulassen, dass Mama noch einmal in ein Heim …« Ihre Stimme versagte plötzlich.

»Mami, was ist denn?«, fragte Tobi.

Imke fing sich. »Es ist nur so, dass eure Oma … Ich weiß erst seit Kurzem, dass sie als Jugendliche einige Jahre in ei nem Erziehungsheim verbracht hat. Zu einer Zeit, als man Kinder mit Prügel und Demütigungen erzogen hat. Es muss schrecklich gewesen sein. So schrecklich, dass sie nie darüber gesprochen hat. Jedenfalls kommt sie nie wieder in ein Heim. Wenn Geli Anne das Geld leiht, haben wir die Kuh vom Eis.«

Tobi schob seine leere Müslischale von sich. »Wieso war Oma denn in einem Erziehungsheim?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie und ihr Bruder nach dem Tod ihrer Mutter dort aufgewachsen sind.«

»Oma hat einen Bruder?«, fragten Steffi und Tobi im Chor.

»Ich erkläre es euch heute Nachmittag. Ihr müsst los.« Die beiden sagten etwas von Familiengeheimnissen, suchten dann aber ihre Schulsachen zusammen und machten sich auf den Weg. Moritz schenkte Kaffee nach. »Auch noch eine Tasse?«

»Gerne. Ich rufe jetzt Geli an.«

»Es ist noch nicht mal halb acht.«

»Du hast recht. Es ist zu früh für sie.«

Sie frühstückten in Ruhe und besprachen, was heute zu tun war. Moritz hatte noch bis Montag Urlaub. Eigentlich wollte Imke in der Werkstatt ihre Sachen einräumen. Doch die Suche nach Peter erschien ihr wichtiger.

Nachdem die Mitarbeiter des neuen Eigentümers sie gestern aus Sankt Marien verscheucht hatten, hatten sie Leopold Schmalisch zum Bahnhof nach Warting gebracht und waren nach Wasserburg weitergefahren. Sie waren durch mittelalterliche Gassen gebummelt und hatten in einer Trattoria mit Blick auf den Inn zu Mittag gegessen und schließlich die Polizeiinspektion aufgesucht, in der vor einundsechzig Jahren Peter Allenstein vermisst gemeldet worden war. Ein großes dreigeschossiges Gebäude, das Hunderte Jahre alt sein musste. An der Pforte hatte ein Polizist hinter Panzerglas gesessen. Imke hatte zum ersten Mal ihr Anliegen vorgebracht und es zwanzig Minuten später vor einer Polizistin wiederholt. Leider erfolglos. Die Vermisstenbücher aus dieser Zeit befanden sich nicht in Wasserburg, sondern beim Landeskriminalamt in München.

»Ich würde gerne noch mal nach Warting fahren«, sagte Imke nun. »Bis auf das Mädchenhaus haben wir kaum etwas von innen gesehen.«

»Sollen wir unser Glück nicht erst beim LKA versuchen?«, fragte Moritz. »Das Heim können wir auch am Samstag besichtigen. Am Wochenende wird hoffentlich kein Baufuzzi auftauchen und uns verscheuchen.«

»Ja. Da hast du wohl recht. Machen wir es so.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.