Die Schneejungfrau by Andrea Rohloff

Die Schneejungfrau by Andrea Rohloff

Autor:Andrea Rohloff
Die sprache: deu
Format: epub


Kapitel 14

Als ich aufwache, scheint die Sonne schon ins Zimmer. Ich werfe einen Blick neben mich. Da streckt und räkelt sich Jenny. Wir sind das perfekte Ferienteam, denke ich und freue mich auf die schöne Zeit, die wir hier noch haben werden. Leider verpasst Ordell meinen Glücksgefühlen prompt einen kleinen Dämpfer. Er ruft kurz nach dem Aufstehen an und sagt Jenny, dass wir auf eine Frau aufpassen sollen.

»Was für eine Frau?«, erkundige ich mich.

»Weiß ich auch nicht so genau«, sagt Jenny, »irgendeine Tussi, die uns beobachtet.«

Also eine Spionin, fährt es mir durch den Kopf. Warum in aller Welt interessiert sich eine Spionin für uns? Geht es vielleicht doch um geheime Papiere, wie ich zuerst gedacht hatte? Mir schwirrt der Kopf. Dennoch behalte ich die Gedanken für mich, weil ich keine Lust habe, Jenny mit Fragen zu verärgern, die sie mir ohnehin nicht beantworten kann.

Aber ihr ist mein entsetztes Gesicht nicht entgangen. »Wir reden einfach unterwegs nicht über diese Reise, so wie immer. Dann kann diese Frau auch nichts ausspionieren«, schlägt sie vor.

Das klingt logisch, und so bin ich erst mal beruhigt. Immerhin ist Jenny allerbester Laune, demnach kann das mit der Spionin so dramatisch nicht sein.

Wieder bummeln wir durch die Stadt und quatschen mit den Leuten, die Jenny kennt. Erneut staune ich, wie viele Leute uns grüßen und zuwinken. Ich bin wirklich stolz auf sie.

Mittags gehen wir in eine Art Imbissrestaurant und auch dort gibt es ein großes Hallo, als wir den Laden betreten.

Wir sitzen gerade gemütlich über unserem Essen, da kommt eine Frau herein, die ebenfalls alle begrüßen. Sie ist etwa Mitte zwanzig, ziemlich gut angezogen und steuert direkt unseren Tisch an. Sofort muss ich an die Spionin denken. Sieht so jemand aus, der andere aushorcht? Nervös beobachte ich Jenny, doch sie quatscht ganz normal mit der Frau, die recht gut Deutsch spricht. Sie habe früher mal in der Schweiz gearbeitet, erzählt sie. Ich klinke mich vorsichtshalber aus der Unterhaltung aus. Wer nichts sagt, kann auch nichts Falsches sagen.

Ein Schrei gellt durch die Nacht. Unheimlich hallt er wider von den nackten Wänden der Zelle, schwillt an, wird immer schriller, bis mir die Ohren schmerzen, und mündet schließlich in monotonem Wehklagen. Ich fahre hoch in meinem Bett. Kalte Angst kriecht mir durch alle Glieder, wie gelähmt sitze ich da, reibe mir die Augen und versuche mein Gehirn zu aktivieren, das noch nicht bereit ist für klare Gedanken. Hat eine der Irren eine Mitgefangene im Schlaf überfallen? Gibt es einen Aufstand?

Im bleichen Licht der Neonleuchten sehe ich eine Frau im Nachthemd scheinbar ziellos zwischen den Bettreihen umherstolpern, sie rauft sich die Haare, verdreht die Augen und schreit, als würde es um ihr Leben gehen. Sie hebt die Hand und deutet ins Nichts, dann verstehe ich endlich, was sie ruft: »Ein Dämon, ein Dämon, er wollte mich töten, ein Dämon.«

Fatos sitzt jetzt auch aufrecht im Bett, und als sie nach meiner Hand greift, sehe ich Panik in ihren Augen. Wieder ein Schrei, diesmal gefolgt von einem dumpfen Knall. Von meinem Bett aus beobachte ich, wie sich eine andere Frau am Boden windet.



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