Die schimmernden Reiche Bd. 1 - Die Zeitwanderer by Stephen R. Lawhead

Die schimmernden Reiche Bd. 1 - Die Zeitwanderer by Stephen R. Lawhead

Autor:Stephen R. Lawhead
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Roman
ISBN: 9783838711003
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2011-08-12T22:00:00+00:00


VIERTER TEIL

ZWANZIGSTES KAPITEL

Lord Burleigh wischte sich mit einem weichen Taschentuch die Stirn ab. Er versuchte noch einmal, sich zu erinnern, wie um alles in der Welt er auf die Idee gekommen war, im Hochsommer nach Ägypten zu reisen. »Wenn einen die Hitze nicht umbringt«, sinnierte er, »machen einem die Fliegen den Garaus.« Mit diesen Worten gab er einer weiteren zwanglosen Versammlung der kleinen, stechenden Teufel einen raschen Schlag mit seiner Fliegenklatsche aus Pferdehaaren. »Ihr frechen Quälgeister!«

Aus seinem großen Glas, das mit kühlem Apfeltee gefüllt war, nahm er einen Schluck und löste den steifen Kragen seines Hemdes; es war schon das zweite an diesem Tag. Er saß in einem großen Korbstuhl in der bequemen, von Palmen gesäumten Om-Seti-Lounge des Winter Palace Hotel und sah zu, wie die Leute durch die Lobby nach draußen schlenderten: europäische Geschäftsmänner in dunklen Anzügen und mit Panamahüten, an den Armen dekorative Damen, die mit frischen cremefarbenen Leinenkleidern angetan waren und deren Stöckelschuhe über den polierten Marmorboden klickten. Seine Blicke fielen auf dunkelhäutige Kellner in weißen Kaftanen, die Wasserpfeifen oder kleine Teetassen auf silbernen Tabletts trugen, auf sandalenbeschuhte Hotelpagen in kurzen Satinhosen und mit roten Turbanen, auf Zigarettenverkäufer mit Tabakkästen aus Holz und reiche Araber in makellos weißen Thoben.

Alle bewegten sich matt und träge. Niemand beeilte sich. Wenn schon das bloße Umherschlendern in der Hitze des Tages als töricht betrachtet wurde, wäre ein Hetzen und Rennen geradezu selbstmörderisch.

Oben unter der Decke ächzte ein Ventilator, dessen geflochtene Rattanblätter durch die stickige Luft kreisten. Burleigh zog seine Uhr aus der Westentasche und ließ den Deckel aufschnappen. Er würde, so entschied er, noch eine weitere halbe Stunde hinzugeben und dann die Jagd abblasen. Wenn seine Beute nicht auftauchte, würde er nach unten ins Hafenviertel spazieren und einen Schiffstransport für die Objekte organisieren, die seit seinem letzten Besuch in einem Lagerraum aufbewahrt wurden. Während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, holte er seine Geldbörse aus der Brusttasche seiner Jacke, die über der Stuhllehne hing. Er öffnete das Portemonnaie, zählte rasch sein übrig gebliebenes Geld und stellte fest, dass er immer noch ein wenig mehr als achttausend ägyptische Pfund besaß.

Das Hauptproblem beim Handel mit antiken Artefakten war, dass jeder seine Hand im Spiel hatte: die Plünderer, die Zwischenhändler, die Lageristen, die Schiffsbesitzer, die Museumskuratoren, die Polizisten und nicht zuletzt die Zollbeamten. Alle mussten ausbezahlt werden, bevor irgendein Verkauf stattfinden konnte. Es war ein teures Geschäft.

Durch harte Arbeit, Umsicht, angeborenen guten Geschmack und durch die unheimliche Fähigkeit, einen Trend zu erschnüffeln, bevor er sich entwickelt hatte, war Burleigh in einem Geschäftszweig erfolgreich gewesen, der von Tag zu Tag immer schwieriger wurde. Der Wettstreit um die besten Stücke wurde von Saison zu Saison härter, weil ignorante, plumpe Freibeuter anrückten, die ohne Notwendigkeit die Preise in die Höhe trieben und eine größere Aufmerksamkeit der Behörden an sich zogen. Man war inzwischen an dem Punkt angelangt, wo keiner es sich mehr leisten konnte, einen Fuß falsch aufzusetzen, wenn er nicht kurz darauf mit dem Gesicht nach unten im Nil dahintreiben wollte.

Keine Ehre unter Dieben, schlussfolgerte Burleigh reuevoll.



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