Die Residenz des Doktor Rattazzi - Roman by Ugo Riccarelli

Die Residenz des Doktor Rattazzi - Roman by Ugo Riccarelli

Autor:Ugo Riccarelli
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Paul Zsolnay Verlag
veröffentlicht: 2013-01-30T05:00:00+00:00


MARZI KAM WIE eine Furie mit seinem Lastwagen angerast.

»Es ist ein Wunder, dass ich durchgekommen bin«, rief er, »gleich hinter der Schlucht schießen Partisanen und Deutsche aufeinander, es ist die Hölle.«

Das Schweigen der anderen war der einzige Kommentar. Von der Schlucht gingen zwei Straßen ab, und nur eine führte zum Pianoro. Mara kam aus der Küche geeilt, und während sie sich die Hände an der Schürze abtrocknete, sah sie den Staub in der Luft, den der Laster aufgewirbelt hatte, und die besorgten Mienen der anderen, die die Nachricht bereits gehört hatten. Sie verstand, ging zu Beniamino und klammerte sich an seinen Arm.

Doktor Rattazzi war der einzige, der den Mut zum Sprechen fand: »Haben Sie erkennen können, ob die Männer sich in unsere Richtung bewegen?« fragte er.

Marzi verzog den Mund, als hätte er Essig geschluckt. Dann wandte er sich zur Straße um, als wollte er sich vergewissern, dass sie noch leer war.

»Eine Gruppe Partisanen hat sich aus der Schlucht abgesetzt, wo der Kampf stattfindet, und läuft direkt in Richtung Pianoro«, antwortete er schließlich und verstummte dann, um den Doktor anzublicken. Wie alle anderen wartete er auf eine Antwort, mit der Rattazzi die Angst vertreiben sollte, die fast mit Händen zu greifen war.

Rattazzi fasste sich mit der Hand ans Kinn und streichelte es langsam, wie immer, wenn er nachdachte.

»Nun gut«, sagte er schließlich, »wir sollten jetzt nicht in Panik geraten.«

Beniamino nahm diese Worte auf wie ein angenehmes, warmes Getränk, einen Trost, der die Erregung linderte, die bereits in ihm aufstieg.

Auf der Wiese vor dem Haus lagen Fosco und Giovanni mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen wie zwei auf das Gras gezeichnete Gestalten von Vitruvius, und ihr Blick verlor sich im Blau des Himmels. Wie wehrlose Kinder erschienen sie Beniamino, nichtsahnend dem aufziehenden Unwetter ausgeliefert. Er blickte zum Hügel hinauf, wo die Straße eine perfekte Kurve durch das von Zypressen durchsetzte Grün zeichnete. Alles war ruhig. Eine leichte Brise bog die Baumwipfel ein wenig und trug den Geruch der Felder auf den Hof. Durch das Küchenfenster sah man Elemira am Herd hantieren und Marcella, die sich anschickte, den Fußboden zu fegen. Als hätte er sie mit seinen Gedanken gerufen, hob das Mädchen die Augen und lächelte ihm zu. Mita und Renzo Bardi saßen friedlich auf der Bank, an die Hauswand gelehnt, die Augen geschlossen, in den Strahlen der milden Sonne badend. Renatina kratzte mit dem Finger an einem Riss in der Hausmauer, auf der Suche nach wer weiß welchen Geheimnissen. Professor Cavani rezitierte Homers Verse, den Blick zum Himmel gerichtet, und jemand, vielleicht Malfatti, pfiff eine kleine Melodie.

Beniamino spürte, wie sein Herz sich verkrampfte. Ein Wunsch kam in ihm auf, so stark, dass es schmerzte. Er hätte die Macht eines Gottes haben wollen, um all das jetzt in diesem Moment einzufrieren, eine Hand auszustrecken wie ein Zauberer und die Zeit zum Stillstand zu bringen, diesen Frieden zu verewigen, einen endlosen Atemzug, einen aufgeschobenen Herzschlag lang. So bleiben, für immer, Marcellas Blicke auf ihn gerichtet, eine leise gepfiffene Melodie in den Ohren, umfangen vom



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