Die Pilgerin von Montserrat by Lotz Christa S

Die Pilgerin von Montserrat by Lotz Christa S

Autor:Lotz, Christa S.
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-13T16:00:00+00:00


3. Buch: Das Geheimnis

23.

Sie näherten sich dem Kloster Montserrat auf einem Weg, der direkt am Abgrund der Schlucht entlangführte. Ein Fehltritt, und es wäre um sie geschehen gewesen. Wie konnten die Mönche sich bloß an so einem verlassenen, schwindelerregenden Ort niederlassen! Der Sturm tobte unvermindert weiter, der Regen peitschte Teresa ins Gesicht. Das Kloster war von einer Mauer umgeben, und bald erreichten sie eine Pforte, die Einlass gewährte. Eine im Wind flackernde Fackel steckte in einer Mauernische, wie zum Trost für einsame, erschöpfte Wanderer der Nacht.

Teresa klammerte sich an das Halfter ihres Pferdes, während Froben an einer Schnur zog, die eine kleine Glocke betätigte. Das Läuten fuhr Teresa in die Glieder wie das Gedröhn einer Kirchturmuhr. Eine Zeitlang rührte sich überhaupt nichts, dann wurde das Trappeln von Schritten hörbar. Das Tor öffnete sich einen Spaltbreit, und eine spitze Nase tauchte auf.

»Quien esta?«, fragte eine barsche Stimme.

»Somos Pelegrinos que quieren una Habitacion por la Noche«, entgegnete Froben.

Die Tür wurde aufgezogen. Ein verschlafener Mönch in dunkler Kutte blickte ihnen entgegen.

»Kommt herein«, sagte er. »Bei uns gibt es immer ein Nachtlager für Fremde, sofern sie in guter Absicht kommen. Wer ist das an Eurer Seite?«

»Mein Sohn Tereso«, antwortete Froben.

Teresa musste an sich halten, um nicht in sich hineinzukichern. Inzwischen war ein zweiter Mönch aufgetaucht, dem der erste die erschöpften Pferde übergab. Froben und Teresa wurden in eine Zelle geführt, in der breite, mit Stroh gefüllte Matratzen lagen. Teresa sank, ohne ein weiteres Wort zu sagen und ohne sich darum zu bekümmern, was sonst noch geschehen würde, auf eines dieser Lager nieder, wickelte sich in eine Decke und schlief – mit dem Getöse des Windes in den Ohren – auf der Stelle ein.

Am anderen Morgen erwachte Teresa von einem Geräusch. Sie fuhr auf und wusste gleich, wo sie sich befand. Der Laut war von ihrem Vater gekommen, der friedlich auf dem Rücken lag und schnarchte. Sie stand leise auf, zog ihre zerknitterte, leicht muffig riechende Kleidung aus und nahm sich aus ihrem Reisebeutel eine frische Bruche, eine Kukulle und ein Skapulier. Sie trat an das kleine Fenster der Zelle, das nach Südosten hinausging. Eiskalte Luft drang durch das gegerbte Ziegenleder herein. Draußen war es rabenschwarz, die Sichel des Mondes beleuchtete eine märchenhafte Landschaft. Über die Schlucht und die tiefer liegenden Berge hatte sich eine weiße Nebeldecke gelegt, aus der die Kuppen wie Katzenbuckel herausstanden. Im Osten machte sich der erste Schimmer des Tages breit. Teresa stand und konnte sich nicht satt sehen an dem Schauspiel. Der Streifen am Horizont wurde breiter, ein erster Sonnenstrahl brach daraus hervor. Jetzt erhob sich das Gestirn gleißend über den Wolken. Zwei Vögel mit Riesenschwingen kamen von Süden herangeflogen und stießen krächzende Laute aus. Das mussten Mönchsgeier sein.

Teresa fror, sie zog sich ihren Mantel an und verließ die Zelle, darauf achtend, dass sich die Tür leise hinter ihr schloss. Sie trat aus dem Gebäude, das den Mönchen als Dormitorium diente. Das Kloster mit seiner Kirche aus gelblichem Gestein, dem gotischen Kreuzgang und den Nebengebäuden klebte tatsächlich am Rand der Schlucht, die sie gestern, bei Sturm, Regen und Schnee, weiträumig umgangen hatten.



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