Die Nilbraut by Georg Ebers

Die Nilbraut by Georg Ebers

Autor:Georg Ebers [Ebers, Georg]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2017-03-15T00:00:00+00:00


Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Wie der Arzt Philippus, so fand auch Orion in dieser Nacht wenig Schlaf. Er zweifelte nicht mehr an Paula, doch sein ganzes Herz war voll von Sehnsucht nach ihr und der Bestätigung, daß sie ihn, ihn allein liebe, und das Verlangen nach ihr hielt ihn wach. Beim ersten Dämmern des Tages sprang er auf, froh, die Nacht hinter sich zu haben, und fuhr über den Nil, um dem Wechsler Salech, dem Bruder des alten Kaufherrn Haschim, die Hälfte des Vermögens der Tochter des Thomas anzuvertrauen.

In Memphis war alles noch still, und was er dort sah, kam ihm heute besonders alt, abgelebt, träge, verfallen vor; ja es schien wert, zu Grunde zu gehen, während er jenseits des Stroms in dem jungen Fostat, wohin er auch blickte, waches, reges, frisch aufsprießendes Leben fand.

Unwillkürlich verglich er die alte Pharaonenstadt hinter ihm mit einer zerfallenden Mumie und die neue Residenz des Amr mit einem thatenlustigen Jüngling. Alles war dort auf den Füßen, regte und rührte sich emsig. Den Wechsler, welcher sich, wie alle Muslimen, früh, »sobald man einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden konnte«, erhob, um sein erstes Gebet zu verrichten, fand er mit dem Auszählen von Gold- und Silberrollen beschäftigt, und wie rasch, wie knapp und schneidig wußte der Araber das Geschäft mit ihm und Nilus, der ihn begleitete, zu Ende zu führen!

Wohin er auch blickte, lauter blitzende Augen, lauter thatkräftige, kühne, unternehmungslustige Gesichter, kein gebeugter Nacken, kein träges Dahinbrüten, kein dumpf ergebener Blick, wie überall in seiner Vaterstadt drüben.

Hier in Fostat wogte das Blut ihm schneller, dort drückte und belastete ihn das Dasein. Alles zog ihn zu den Arabern hin!

Die Bude des Wechslers bestand wie alle Verkaufsstätten im Suk oder Bazar des jungen Fostat aus einem hölzernen Verschlage, worin der Kaufherr mit seinen Gehilfen verweilte. Von der offenen, der Straße zugewandten Seite desselben aus verkehrten sie mit den Kunden, welche, wenn das Geschäft längere Zeit in Anspruch nahm, von dem Händler eingeladen wurden, sich auf dem Auslagebrett bei ihm niederzulassen.

Auch Orion und Nilus waren solcher Aufforderung gefolgt, und während sie bei der Unterredung mit dem Wechsler für alle Vorübergehenden sichtbar dasaßen, schritt der schwarze Wekil Obada, der den Groll des Statthaltersohnes gestern Abend so tief aufgeregt hatte, nochmals dicht an ihm vorüber. Zu seinem Erstaunen grüßte er ihn mit großer Freundlichkeit, und eingedenk der Warnung des Feldherrn erwiderte Orion, so schwer es ihn auch ankam, des verhaßten Mannes Willkommen. Als dann Obada zum zweiten und drittenmal an der Bude vorbeiging, fühlte jener sich von ihm beobachtet; indessen war es ja möglich, daß der Wekil gleichfalls mit dem Wechsler zu thun hatte und nur auf die Erledigung seiner Geschäfte wartete.

Uebrigens sollte Orion diese Begegnung bald vergessen; denn zu Hause harrten seiner gewichtigere Dinge.

Wie es oft geschieht, hatte der Tod eines einzelnen Mannes, obgleich sein Haus durch seinen Hingang weder reicher noch ärmer geworden, und man darin in der letzten Zeit sein zurückgezogenes Walten kaum wahrgenommen, eben dieses Haus völlig, ja bis zur Unkenntlichkeit verändert. Still und wie ausgestorben erschienen nunmehr die sonst so lebendigen Räume.



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