Die Mittellosen (German Edition) by Borbély Szilard

Die Mittellosen (German Edition) by Borbély Szilard

Autor:Borbély, Szilard [Borbély, Szilard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2014-10-05T22:00:00+00:00


Meine Schwester und ich verstecken uns in den Himbeersträuchern. Es ist Sonntag, glühend heiß. Solange meine Mutter nach dem Mittagessen den Kleinen füttert, gehen wir in den Garten. Unser Hof hat hier ein starkes Gefälle, und die Erde ist so hart, dass man sie im Sommer mit dem Spaten nicht lockern kann. Da hilft nur die Spitzhacke. Vater hat hier Himbeersträucher gepflanzt. Sie haben sich rasch vermehrt. Im Frühling muss man sie immer lichten. Im Sommer kann man kaum mehr zwischen sie gehen. Jetzt reifen sie. Oft schläft Mutter ein, nachdem sie den Kleinen gestillt hat. Wir verstecken uns im Garten. Die Apfelbäume sind schon ziemlich groß, sie sind bald zehn Jahre alt. Die Himbeeren blühen noch. An einem Zweig Blüten, am anderen reife Früchte. Unsere Bienen umschwirren sie. Auf einmal brülle ich, weil mich eine Biene sticht. Sie ist gegen mein Gesicht geflogen und hat sofort zugestochen. Wegen des Schweißes.

»Hilf mir!«, brülle ich meiner Schwester zu.

»Was hast du?«,

»Eine Biene hat mich gestochen! Hilf mir!«, schreie ich.

»Schrei nicht, sonst hört es Mutter. Ich helfe dir gleich«, sagt sie.

Die Oberfläche der ausgetrockneten Erde ist steinhart. Mit den Fingern können wir sie nicht abkratzen. Meine Schwester entdeckt etwas weiter weg einen Maulwurfshügel.

»Warte. Ich pinkele darauf.« Sie hockt sich über den Haufen und zieht ihren Rock hoch. Sie trägt keine Unterwäsche. Zwischen ihren Schenkeln ist ein länglicher Schnitt. Da kommt die Pisse heraus.

»Glotz nicht so«, fährt sie mich an. »Dreh dich um.«

»Es tut sehr weh«, sage ich. »Beeil dich.«

Sie zielt mit dem gelben Strahl auf die Spitze des Haufens. Die feinkörnige, trockene Erde zerstiebt. Durch den kräftigen Strahl prasselt der mit Erde vermischte Urin in alle Richtungen. Er spritzt gegen ihre Beine. Als sie fertig ist, vermischt sie den Urin mit der Erde. Sie macht Schlamm. Nimmt einen kleinen Haufen in die Hand. Knetet ihn.

»Na, zeig her, wo tut es weh? Wohin hat sie gestochen?«, fragt sie und forscht in meinem Gesicht.

»Hierher«, ich zeige auf meine Schläfe. Mein Auge beginnt schon zuzuschwellen.

»Das wird helfen«, sagt sie und runzelt ernst wie unsere Mutter die Stirn. Zwischen die Nägel geklemmt, reißt sie den Stachel heraus, damit er nicht den Rest Gift in die Haut spritzt. Dann schmiert sie mir den Schlamm auf das Gesicht. Vater hat uns das beim Imkern beigebracht. Sie spuckt auf die Haut, dort, wo der Stich war. Macht einen Umschlag für die Schwellung. Schmiert die Masse auf die Haut und massiert sie ein.

»Festdrücken«, sagt sie, »damit es nicht herunterfällt. Dann wird es abschwellen.«



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.