Die Meisterin aus Mittenwald by Christiane Martini

Autor:Christiane Martini [Martini, Christiane]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Monogramm Verlagsgesellschaft
veröffentlicht: 2014-09-30T22:00:00+00:00

Kapitel 28

Es war Annas Onkel, den Moritz umarmte, und es waren ihre Augen, die ihn anblickten, die gleiche Farbe und die gleiche Form.

»Friedrich?«, stammelte er, »Ihr müsst Annas Onkel sein?«

Der Mann schaute Moritz erstaunt an und schob ihn etwas von sich weg. »Woher kennt Ihr meinen Namen? Und weshalb kennt Ihr Anna? Was ist mit ihr, sie lebt doch weit von hier entfernt, in Augsburg? Sprecht! Ist etwas passiert? Was ist mit Annas Familie, sind etwa alle hier in Venedig?«

Friedrichs Gesichtsausdruck zeigte Angst, doch bei den letzten Worten hatte sich ein kleiner Hoffnungsschimmer in einem erwartungsvollen Lächeln gezeigt.

Moritz räusperte sich, es fiel ihm schwer, Annas Onkel enttäuschen zu müssen und ihm die grausame Wahrheit zu erzählen, doch hatte dieser natürlich das Recht darauf, alles zu erfahren.

Moritz begann ihm schweren Herzens zu erzählen, was Anna und ihrer Familie zugestoßen war.

»Eurer Schwester und Eurer Nichte ist ein großes Unglück widerfahren«, fing er an und hielt inne, denn er spürte einen anschwellenden Kloß in seinem Hals. Der wollte ihm für einen Moment die Luft wegnehmen.

»Sprecht weiter«, meinte Friedrich mit trauriger Stimme. »Ich möchte erfahren, was sich zugetragen hat.« Moritz musste husten. Als er sich beruhigt hatte, erzählte er, was in Augsburg passiert war.

» ….Anna hatte das Glück und konnte dem Inquisitor und seinen Mannen entkommen. Ein Bergrutsch hat deren erbärmliches Leben ausgelöscht. Eure Nichte hat fortan in der Gestalt eines Mannes in Mittenwald Unterschlupf bei einem Geigenbaumeister namens Dürnholz gefunden. Unglücklicherweise kamen der Geigenbaumeister und ein venezianischer Söldner namens Carrigi hinter Annas Geheimnis. Bei einem Streit zwischen den beiden kam Dürnholz ums Leben. Der Venezianer wollte Eure Nichte ehelichen, doch hatten Anna und ich längst die Liebe füreinander entdeckt. Es blieb uns nur die Flucht. Noch in der gleichen Nacht muss Carrigi Dürnholz mit zahlreichen Messerstichen gelyncht haben. Bei unserer Flucht haben Anna und ich uns trennen müssen. Mich hat man festgenommen und, wie ihr seht, bis nach Venedig gebracht, doch Eure Nichte konnte entkommen. Der Söldner hat dafür gesorgt, dass man mich wegen Mordes und Diebstahl anklagt und wohl auch deswegen verurteilen wird. Da er in Venedig ein angesehener Offizier ist, wird man ihm sicher eher glauben und mir eine lange Haftstrafe aufbrummen.« Schlimmeres mochte sich Moritz nicht ausmalen.

Friedrich schaute Moritz entsetzt und ungläubig an, ihm standen Tränen in den Augen. Es folgte eine lange Pause.

Moritz legte den Kopf an die Mauer. Er fühlte sich leer und hoffnungslos.

Dass ihm der Strang den Tod bringen würde, glaubte er nicht. Aber er war sich bewusst, dass seine Kerkerhaft nur durch eine unvorhersehbare Fügung abgewendet werden könnte, gleichwohl er unschuldig war.

Annas Onkel legte Moritz die Hand auf die Schulter. Sie standen eine Weile an der Mauer und blickten aus dem kleinen Fenster hinaus in die dunkle Nacht.

»Was für ein Unglück«, meinte Friedrich und unterbrach die Stille. »Meine unglückselige Schwester.«

Moritz löste sich langsam aus seiner Starre. Er schaute Friedrich an.

»Sagt, warum hat man Euch in dieses dreckige Loch gesperrt? Was wird Euch angelastet?«

Friedrich räusperte sich kurz und meinte dann schief grinsend:

»Diebstahl. Man hat mich auf frischer Tat ertappt, weil ich mich zu ungeschickt angestellt habe.

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