Die Masken der Mütter by Ruth Rendell

Die Masken der Mütter by Ruth Rendell

Autor:Ruth Rendell
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 1970-01-01T00:00:00+00:00


Die Masken der Mütter

12

Jason saß im Fond des Wagens in James' Kindersitz und drückte das weiße Stoffkaninchen an sich, das Mopsa ihm gekauft hatte. Benet stellte Mopsas Gepäck in den Kofferraum, zu Jasons alter Kinderkarre, die dort lag, seit Mopsa den Jungen gestohlen hatte. Er sah gut und gesund aus, seine Gesichtsfarbe war nicht mehr so rot und sein Gesichtsausdruck lebhafter. Bilde ich es mir nur ein, dachte sie, oder sieht er tatsächlich hübscher aus? Wenn Mopsa fort war, die in ein oder zwei Stunden abflog, und sie auslöffeln musste, was Mopsa ihr eingebrockt hatte, konnte wenigstens niemand sagen, Jason habe in ihrer Obhut gelitten. Sie konnten ihn nur beglückwünschen, weil er sich so erholt hatte.

»Diesen Tag wird Daddy sich im Kalender rot anstreichen«, sagte Mopsa. »So lange waren wir nämlich noch nie getrennt.«

Sie hatte die langen Perioden vergessen, die sie in psychiatrischen Kliniken verbringen musste. An diesem Morgen war sie ein Musterbeispiel sachlicher Vernunft in ihrem grauen Kostüm, einem roten Chiffonschal um den Hals und vorsichtig aufgetragenem Lippenstift im gleichen Farbton, weil sie nicht zu auffallend aussehen wollte. Benet bezweifelte jedoch, dass ihr Vater über Mopsas verfrühte Rückkehr so erfreut war wie sie sich einbildete. Am Telefon hatte er ziemlich vorwurfsvoll zu Benet gesagt:

»Du hättest deine Mutter doch wirklich einen ganzen Monat bei dir behalten können, wie es ausgemacht war!«

Und Mopsa selbst hatte alles noch schlimmer gemacht, als sie Benet den Hörer aus der Hand genommen und jammernd erklärt hatte, dass es in London nichts gab, was sie hielt, nachdem alle Tests negativ ausgefallen waren. Sie wolle, hatte sie gesagt, nicht so lange bleiben, bis sie nicht mehr gern gesehen sei.

John Archdales Stimme hatte sein ganzes unausgesprochenes Elend verraten. Du hast sie drei Wochen gehabt, hatte er Benet zu verstehen gegeben, ich habe sie ein Leben lang. Ich beklage mich nicht, ich nehme es auf mich, und alles, worum ich gebeten hatte, waren vier kurze Wochen. Mopsa, dachte Benet, wäre unter den gegebenen Umständen kein Stein aus der Krone gefallen, wenn sie dem armen Mann gesagt hätte, sie freue sich darauf, nach Hause zu kommen.

Jetzt, im Wagen, wurde es offensichtlich, dass sie sich wirklich freute. Erstens des Klimas wegen. Die Temperaturen waren in Spanien mindestens 20 Grad höher als in England. Die Sonne würde scheinen, und sie würde wieder in ihrem kleinen, gemütlichen Heim schalten und walten, das Benet nur einmal gesehen hatte und anscheinend nicht Wiedersehen wollte. Sie schwatzte über die Vorzüge Südspaniens im Winter, wenn die meisten Touristen abgereist waren, über das Ehepaar aus High Wycombe, das sich ebenfalls dort niedergelassen hatte und mit dem sie Bridge spielten, und über den Strand. Jason hatte sie offenbar vergessen. Seit Tagen hatte sie ihn buchstäblich ignoriert und es Benet überlassen, für ihn zu sorgen. Einmal hatte sie ihn James genannt.

»Sollte James nicht schon längst im Bett sein?«

Die Spitze, immer gezückt, um Benet bei jeder Gelegenheit mit Erinnerungen zu quälen, hatte voll getroffen. Aber Mopsa hatte es nicht mit Absicht gesagt. James als eigenständiger Mensch hatte sie nie interessiert und Jason noch viel weniger.



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