Die Macht der Geheimdienste: Agenten, Spione und Spitzel vom Mittelalter bis zum Cyberwar - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) by Uwe Klußmann
Autor:Uwe Klußmann [Uwe Klußmann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2020-04-20T16:00:00+00:00
Loyaler Helfer: Ergebenheit gegenüber Mao Zedong sicherte Kang Sheng seine Position (1963).
Gemma Keystone/Getty Images
Mao hatte entschieden, dass die Sowjetunion eine gröÃere Gefahr als die USA darstellte. Kang Sheng galt später als einer der Verantwortlichen für den Bruch mit Moskau, der mit einer vorsichtigen Hinwendung zur anderen GroÃmacht einherging.
Der Durchbruch für die diplomatische und wirtschaftliche Annäherung an die USA gelang schlieÃlich 1972 mit dem Besuch des US-Präsidenten Richard Nixon in Peking.
Doch das gegenseitige Misstrauen blieb. In einem mittlerweile öffentlichen internen Bericht der CIA über Kang Sheng aus dem Jahr 1968 wird er als »der unheimliche und fremdenfeindliche ehemalige Chef der Geheimpolizei« bezeichnet. Mehrfach legte die CIA »special reports« über ihn und den Geheimdienstapparat an. Die Informationen der Amerikaner blieben dünn: Kang wurde als »Top-Sicherheitsspezialist des Regimes« identifiziert, konkrete Erkenntnisse über die Person und die Vorhaben des Schattenmanns waren kaum zu bekommen.
Umgekehrt jedoch gelang es Kang Sheng immer wieder, Agenten in ranghohe Positionen der westlichen Geheimdienste einzuschleusen, teilweise blieben sie jahrzehntelang unentdeckt. Erst 1985 wurde Larry Wu-Tai Chin von den amerikanischen Behörden als Doppelagent im Dienste Chinas enttarnt; er spitzelte bereits seit 1952 bei der CIA. Aus Dokumenten geht hervor, dass er bereits im Koreakrieg Anfang der Fünfzigerjahre, als er als Ãbersetzer für die US-Armee tätig war, heimlich für die KP agiert hatte. Im Laufe der Jahre lieferte er etliche »sensible Informationen« an den chinesischen Geheimdienst. Er soll insgesamt mehr als eine Million Dollar von China erhalten haben.
Ein weiteres Beispiel ist John Tsang. Der in Cambridge ausgebildete Beamte war der ranghöchste Chinese im Polizeiapparat der britischen Kolonie Hongkong bis 1961. Der aufstrebende Staatsdiener, der auch als Leibwächter des Hongkonger Gouverneurs Dienst tat, leitete offenbar im Verborgenen auch einen Spionagering. Tsang sollte ein Netzwerk aufbauen, um an Informationen über die Verteidigungsstrategie der britischen Administration zu kommen. 1961 wurde das Netzwerk nach 13 Jahren Spionage nur durch Zufall entdeckt. Unter mysteriösen Umständen wurden vier enttarnte Agenten ohne Gerichtsverfahren nach China abgeschoben.
Chinesen, die im Ausland lebten, spielten in Kang Shengs Plänen oft eine herausgehobene Rolle. Etliche Chinesen verlieÃen während des Bürgerkriegs ihre Heimat. Der Geheimdienst wusste sie für seine Interessen zu instrumentalisieren und ging dabei pragmatisch vor: Bei ganz offensichtlich im Kapitalismus verwurzelten Personen versuchten Kangs Späher nicht, sie ideologisch zu indoktrinieren, sondern zahlten Bestechungsgelder und appellierten an das chinesische Nationalgefühl.
Zu Beginn der Siebzigerjahre schien das Imperium Kang Shengs unermesslich. Innenpolitisch positionierte sich Kang in Maos Kulturrevolution seit 1966 stets als radikaler Kämpfer gegen Abweichler von der maoistischen Linie, er nahm eine Schlüsselrolle bei der Verfolgung von ParteigröÃen ein. Seine Macht im Staat ging weit über die eines Geheimdienstchefs hinaus, so leitete er etwa auch die Abteilung für internationale Kontakte.
Doch dann erkrankte Kang Sheng an Blasenkrebs. Am Ende hatte Kang kaum noch Freunde. Viele Weggefährten hatte er verraten, sie waren inzwischen tot oder im Exil. Laut den Biografen Kang Shengs, Roger Faligot und Rémi Kauffer, wurde »der Meister der Schatten« kurz vor seinem Tod von Angstattacken und Albträumen geplagt: ein gehasster Mann, krank an Leib und Seele durch ein Leben voller Intrigen und Machtkämpfe.
Am 16. Dezember 1975 schlieÃlich starb Kang Sheng im Alter von 77 Jahren.
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