Die Liebenden der Zeit by Hubert Haensel
Autor:Hubert Haensel [Haensel, Hubert ]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Das Reich Tradom, Perry Rhodan, Science Fiction
Herausgeber: Pabel-Moewig Verlag GmbH
veröffentlicht: 2003-06-10T01:00:00+00:00
4.
Meine Sorge wächst mit jedem Tag, weil ich die Entwicklung für gefährlich halte. Aber wer will schon meine Meinung hören - wer achtet überhaupt noch auf etwas anderes als die öffentlichen Verlautbarungen? Das Zerwürfnis mit den kosmischen Ordnungsmächten ist unausweichlich, weil wir Algorrian nicht länger für die Kosmokraten arbeiten werden. Die Produktion der Potenzialfelder für die Zeitbrunnen ruht bereits ebenso wie die Herstellung aller anderen Geräte. Wir wollen endlich wirklich frei sein. Ich glaube jedoch, dass es unmöglich sein wird, aus dem Dienst der Ordnungsmächte auszuscheiden. Unser Volk war immer unfrei und wird in Abhängigkeit bleiben - alles andere fördert nur Situationen, die wir nicht bewältigen können. Es ist schön, von der Freiheit zu träumen. Aber ich fürchte den Tod, den uns diese Freiheit bringen kann. Engita, ohne Ausbildung Erst war da nur eine verstörende, schwer greifbare Ahnung gewesen. Bis sie sich der vollen Wahrheit bewusst geworden war, hatte es Jahre gedauert, und danach hatte sie sich wochenlang elend gefühlt. Sie war nicht Engita, die zurückgezogen lebende junge Frau, die in die beginnenden Wirren neuer Orientierungsversuche hineingeboren worden war. Ihr wirklicher Name lautete Le Anyante. Sie war zum zweiten Mal, nach annähernd zwölftausend Jahren, wiedergeboren worden.
Was inzwischen auch geschehen sein mochte, in ihrer Erinnerung fand sie die Ereignisse um die ökologische Gesellschaft so frisch, als sei alles erst gestern gewesen. Sie erkannte, dass während ihres zweiten Lebens der Grundstock für die Verweigerung der Algorrian gelegt worden war. Hatte das Schicksal sie ausgerechnet deshalb in diese neue Zeit geführt? Weil mittlerweile die Saat aufging? Ein Formenergiegleiter trug sie quer über den Kontinent hinweg. Nur an der Nordküste hatte Geomm bislang das schöne alte Gesicht zurückgewonnen. Einige hundert Kilometer weit reichten saftige Wiesen und wahllos hingestreut wirkende Seen ins Land, doch der Rest war nach wie vor Industriebrache, ein erstickender Dschungel gläserner Fassaden, vor nicht allzu langer Zeit als Inbegriff des Fortschritts gelobt, heute Symbol der Knechtschaft. Überall gab es Anzeichen der Rebellion, aber bis auch der Letzte verstand, was geschah, würde Tulacame seine Sonne noch oft umkreisen.
Le Anyante hatte die Erinnerung an ihre beiden früheren Leben in allen Einzelheiten wiedererlangt. Deshalb fieberte sie dem Moment entgegen, in dem sie Curcaryen wieder gegenüberstehen würde. Sie spürte ihn schon seit Jahren über Tausende Kilometer hinweg. Der Gleiter landete und löste sich auf. Zurück blieb nur der faustgroße kugelförmige Projektor, der sich mit wahnwitziger Beschleunigung entfernte. Le Anyante konnte ihn jederzeit zurückrufen, sobald sie einen neuen Transport benötigte. Wenig später stand sie Varantir gegenüber. Was immer sie zu sehen erwartet hatte, einen stinkenden, ungepflegten Bock oder einen muskulösen Recken, die Wirklichkeit lag zwischen beiden Extremen. Curcaryen war lediglich eine Handbreit größer als sie, und das Spiel der Sehnen unter seinem scheckigen Fell konnte sie schon gar nicht beeindrucken. „Ich weiß nicht, warum", sagte er zögernd, „aber es tut gut, dich zu sehen."
Er meinte es ehrlich. Le Anyante blickte ihn wortlos an. Ihr Hass war einer schwer zu bezähmenden Neugierde gewichen. Wie ein Neugeborenes stückweise die Welt zu begreifen versuchte, wollte sie verstehen, was mit ihnen beiden geschah.
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