Die letzten Tage der Menschheit (German Edition) by Karl Kraus

Die letzten Tage der Menschheit (German Edition) by Karl Kraus

Autor:Karl Kraus [Kraus, Karl]
Die sprache: de
Format: azw
veröffentlicht: 2011-05-09T16:00:00+00:00


Nachdem er abgegangen ist, erscheint seine Gattin, Frau Kommerzienat Auguste Wahnschaffe mit ihren Kindern, die sich sogleich auf dem Spielplatz verlieren, um sich mit einem Kriegsspiel zu beschäftigen.

Frau Kommerzienrat Wahnschaffe: Ich habe nur zwei Kinder, die leider noch nicht militärtauglich sind, umsoweniger als das eine zu unserem Leidwesen ein Mädchen ist. So muß ich mir mit 'nem Ersatz behelfen, indem ich mich der Vorstellung hingebe, daß mein Junge schon an der Front war, aber selbstverständlich bereits den Heldentod gefunden hat, ich müßte mich ja in Grund und Boden schämen, wenn's anders der Fall, wenn er mir etwa unverwundet heimgekehrt wäre. Keinesfalls dürfte er mir in der Etappe sein, wiewohl sich ja auch dorthin eine Kugel leicht verirrt. Diese Vorstellung, die mit der beste Trost ist, den ich habe, und die ich gegen jeden Zweifel behaupte, indem ich den Zweifel mühelos abweise, diese Vorstellung befestige ich in der Zeit, die Ottomarchen zu schaffen hat. Ich bin also eigentlich immer beschäftigt, bis auf die halbe Stunde, die sich Männe, der soeben schaffen gegangen ist, zum Essen Zeit nimmt. Was nun dieses Essen anlangt, so behelfe ich mir als tüchtige Hausfrau auch hier mit Vorstellungen. Heut waren wir in diesem Punkte gut versorgt. Es gab allerlei. Wir hatten da eine bekömmliche Brühe aus Hindenburg-Kakao-Sahne-Suppenwürfel »Exzelsior«, einen schmackhaften Falschen Hasen-Ersatz mit Wrucken-Ersatz, Kartoffelpuffer aus Paraffin und 'nen Musbrei nach Hausmannsart, versteht sich alles auf der Bratpfanne »Obu« bereitet, und zum Schlusse Schillerlockenersatz, der uns trefflich gemundet hat. Eine deutsche Hausfrau weiß, was sie ihrem Gatten in dieser ernsten, aber großen Zeit schuldig ist. Zwar Männe machte Männchen, weil er seine leckern Hausmacher-Eiernudeln nicht bekam. Is nich; so mußte er sich dreinfinden. Was uns anfangs sehr abging, war Margarineersatz, aber da wir Obu haben, so fehlt es uns jetzt an nichts mehr. In der Hausfrauenvereinigung haben wir neulich einstimmig beschlossen, daß die Mineralnährhefe, deren Eiweißgehalt vorzugsweise durch die Verwendung von Harnstoff gewonnen wird, in Bezug auf Nährwert der Brauereihefe gleichkommt und darum nicht mehr ausschließlich an die Volksküchen verteilt werden dürfe. Es ist heute Mode, den breiten Schichten der Bevölkerung entgegenzukommen. Diese einseitige Bevorzugung muß ein Ende haben. Die bürgerlichen Kreise wollen auch leben. Die Miesmacher, die selbst hier was dawider haben, wenden ein, daß das Ding einen Heringsgeruch und einen Petroleumgeschmack habe und dadurch imstande sei, Ekel zu erregen. Wir deutschen Hausfrauen wissen aber Bescheid und wir hoffen, daß sich diese Eigentümlichkeiten beim Kochen vollständig verlieren werden, ja wir sind überzeugt, daß die Mineralnährhefe den Speisen einen feinen Wohlgeschmack verleiht. Ist das Mittachbrot vorbei, so kommt wieder die Sorge um's Amdbrot. Zum Amdbrot gibts heut wie immer Eintopfgericht, zur Abwechslung aber Leberwurst aus Stärkekleister und rotgefärbtem Gemüse und als Käseersatz Berliner Quark mit Paprikaersatz, auch erproben wir heute das vielgerühmte Alldarin mit Eiersatz Dottofix aus Schlemmkreide mit Backpulver und etwas Salatfix, ein köstlicher Zusatz, den ich dem Salatin wie dem Salatol beiweitem vorziehe. Denn für den deutschen Familientisch ist das Beste gerade gut genug und es ist alles da, nich so wie bei arme Leute.



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