Die letzte Hanseatin by Lena Falkenhagen

Die letzte Hanseatin by Lena Falkenhagen

Autor:Lena Falkenhagen
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-31T16:00:00+00:00


Kapitel 12

Am selben Tag, wenige Stunden später

Elise saß angespannt auf ihrem Schemel. Sie fror trotz des warmen Kleides in der frischen Luft der Dachkammer und schwankte zwischen Aufregung und Erschöpfung. Doch sie kam nicht zur Ruhe.

Ihr Raum war nicht groß, und das Einzige, was Schenk gefunden hatte, um es vor die Tür zu schieben, war Elises Kleidertruhe gewesen, in die sie die Bibel in einem unbemerkten Augenblick zurückgelegt hatte. Es gab zwei wackelige Schemel, auf einem hatte sie Platz genommen.

Besorgt blickte Elise zu der schmalen Wandluke, die knapp über dem Boden unter der Dachschräge lag und ein wenig Licht in den schummrigen Raum ließ. Wie viel Zeit mochte verstrichen sein? Sie hatte die Glocken der Kirchtürme mehrfach schlagen gehört. Schenk hatte ihr erklärt, dass es ein halb- und ein ganzstündiges Geläut gab. Nach ihrer Rechnung waren seit ihrer missglückten Flucht also mindestens zwei Stunden verstrichen, vielleicht sogar zweieinhalb. Sie sprang nicht zum ersten Mal vom Schemel auf, kniete sich vor das Fenster und versuchte hinauszuschauen. Wie in der Kammer ihres Vaters war die Mauer so dick, dass man nur einen kleinen Teil des Hofes erkennen konnte. Dort unten hatte sie vereinzelt Männer mit fremdem Wappen gesehen, doch was vorging, war nicht zu erkennen. Ob sich der Bürgermeister an sein Wort gehalten hatte? Wenn nicht, musste sie den Schwiegervater in Lebensgefahr wähnen. Die wohlvertraute Sorge kam wieder auf.

»Euch wird nichts geschehen, Frau Elise.« Schenk saß auf der Truhe an der Tür, vielleicht um es Eindringlingen schwerer zu machen, die Kammer gewaltsam zu betreten. Damit hockte er auch, hoffentlich ohne es zu ahnen, auf Lipperades Bibel.

Elise starrte noch ein paar Augenblicke lang aus dem Fenster, doch auf der Straße veränderte sich nichts. Dann kehrte sie zu ihrem Schemel zurück. »Danke für Eure gütigen Worte, Meister Schenk.« Sie seufzte. »Die Ungewissheit macht mir zu schaffen. Was, wenn Hinrich Lipperade schon etwas geschehen ist?«

»Dann sollten wir froh sein, dass die Männer des Bürgermeisters dieses Gebäude nicht anzünden, während wir uns darin befinden«, erwiderte er trocken. »Nein, dann können wir nur hoffen, dass unsere Barrikade sie aufhält oder wir ihnen ein wenig Vernunft einreden können, bis sie zu uns vorgedrungen sind. Bis das geschieht, werden wir wohl oder übel abwarten müssen.«

Ein Ruf drang durch das Fenster herein. Wieder sprang sie auf und versuchte, etwas zu erspähen, doch auf dem kleinen Fleck des Hofs war nichts zu erkennen. Müde rieb sie die Augen und wandte sich ab. »Es ist sehr freundlich, dass Ihr Euch so um mich kümmert, Meister Schenk. Es muss Euch schwerfallen, hier so still zu sitzen.«

Er stand auf und legte ihr beruhigend die Hände auf die Oberarme. »Macht Euch um mich keine Sorgen, Herrin. Es ist mir eine Ehre. Und Euer Herr Vater hat ein Händchen dafür, selbst die verfahrensten Situationen zu richten.«

Elise sah überrascht auf. Das tiefe Vertrauen in Lipperade überraschte sie. Sie erinnerte sich an den Blick, den die beiden Männer getauscht hatten. Der Zweite Sekretär war in London einer der wichtigsten Kontakte zwischen der Hanse und dem Königshof, vielleicht gar der wichtigste.



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