Die Kathedrale der Ketzerin by Kempff Martina
Autor:Kempff, Martina [Kempff, Martina]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783492952071
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-09-17T14:43:54+00:00
7
Abwege
Herrin, seid bedankt, die Ihr um alles Gute wisst, mehr Tapferkeit und große Güte sind in Euch denn in jeder anderen vor Euch, obwohl die Liebe umschlug in großen Hass, kaum ist man von der schönen Dame geliebt worden.
Aus einem Lied des Theobald von Champagne
an Königin Blanka
Die Aussicht, den geliebten Mann bald wieder in die Arme schließen zu können, mochte Blanka zwar Flügel verliehen haben, doch dies galt nicht für ihre Begleitung. Als sich der kleine Zug am Nachmittag des folgenden Tages einer Herberge näherte, drängte Theobald die Königin, Menschen und Pferden zeitig eine Ruhepause zu gönnen. Alle seien erschöpft, es werde in absehbarer Zeit dunkel und Hunger plage jeden.
Blanka schüttelte den Kopf.
»Wir reiten bis zum nächsten Kloster«, bestimmte sie.
»Horch!« Theobald hob einen Arm und deutete zur weit geöffneten Fensterluke der Herberge. Zwischen Rauchschwaden war im anheimelnden Schimmer eines Herdfeuers ein Mann erkennbar, der mit einer Drehleier im Arm auf einem Tisch stand und sang. Fetzen der Musik drangen nach draußen.
»Mein Lied!«, rief Theobald entzückt und ritt näher. »Der Bursche dort trägt doch tatsächlich meine Nachtigallenverse vor!« Laut sang er mit:»Dein Wald verlangt nach Nachtigallen und schwerer Süße auf den Wegen, der wir schon, halb verwirrt, verfallen …« Er brach ab. Auf seiner Stirn begann eine Ader zu pochen. »Oh, verfluchter Stümper, welch ein elendiger Missklang! Geliebte Herrin, lasst mich hineingehen und den Mann vom Tisch werfen! Er verhunzt meine Kunst!«
Ohne eine Genehmigung abzuwarten, sprang er vom Pferd und stürzte in die Herberge.
Blanka wandte sich an Clara.
»Gehört Eitelkeit eigentlich zu den Todsünden?«, fragte sie beißend.
Clara zuckte mit den Schultern und stieg schweigend von ihrem Pferd.
»Ich denke, du kennst dich mit so etwas aus!«, giftete Blanka, während sie ebenfalls aus dem Sattel glitt. »Ach nein, ich hatte es ganz vergessen: Für euch ist ja das Leben an sich eine Sünde und eine Angelegenheit, die man am besten schnell hinter sich lässt. Warum bringt ihr euch dann nicht alle selbst um? Das würde der Welt eine Menge Ärger ersparen.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, die Clara ohnehin nicht gegeben hätte, ging Blanka entschieden auf die Tür der Herberge zu. Die Musik war plötzlich abgebrochen.
Auf der Schwelle prallte Blanka mit Theobald zusammen, der, wie vom Teufel gejagt, mit hochrotem Kopf wieder hinausgestürzt war.
Er entschuldigte sich nicht, sondern packte die Königin fest am Arm.
»Fort«, stieß er hervor und versuchte die widerstrebende Frau mit sich zu ziehen, »gefährliches Lumpenpack dort drinnen. Wir reiten augenblicklich zum Kloster weiter! Eilt Euch!«
Dann geschah alles sehr schnell. Eine Horde brüllender Männer stürzte aus der Tür. Ruppig stießen sie Blanka in den Staub, griffen sich den Grafen von Champagne und zerrten ihn unter Flüchen zurück in die Herberge.
Theobalds Männer ließen von ihren Pferden ab und rannten hinterher.
»Haltet unsere Tiere!«, rief einer den Frauen und den beiden alten Männern aus Blankas Gefolge zu; dann knallte die wuchtige Holztür hinter der Schar zu.
»Lumpenpack«, wiederholte Clara tonlos, während sie Blanka auf die Beine half. »Wie recht er doch hat. Das sind Kreuzritter.«
Blanka starrte Clara fassungslos an. »Bist du sicher?«
In der Geschwindigkeit, mit der alles geschehen war, hatte sie nichts und niemanden erkennen können.
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