Die Fremde im Spiegel - Roman by Nagel & Kimche AG

Die Fremde im Spiegel - Roman by Nagel & Kimche AG

Autor:Nagel & Kimche AG
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Nagel & Kimche AG
veröffentlicht: 2014-03-15T16:00:00+00:00


Noch immer hat Hanan ihr Zimmer nicht verlassen, noch immer läuft sie im Raum hin und her. Sie macht sich Sorgen um ihr Dienstmädchen. Wenn Alia das Villenviertel hinter sich gelassen hat, könnte sie in Gefahr geraten.

Wenn sie doch nur zurückkäme! Hanan überlegt, wie sie Alia wiederbekommen könnte, ohne ihren Stolz zu verlieren … Sie wird den Gärtner hinter ihr herschicken. Anwar fällt ihr plötzlich ein, den sie in seiner Gleichgültigkeit hat versauern lassen. Das alte Krokodil wird ihr nicht helfen können, es ist eingetrocknet auf seinem Bett liegen geblieben und hat keinen Ton von sich gegeben.

Sie wünscht sich so sehr, er möge sterben! Er kommt ihr vor wie ein Parasit, der ihr Leben aussaugt. Seit der ersten Nacht tut er das. Sie hat diesen Mann nie geliebt, der ihr einmal wie ein Bruder war, dann zu ihrem Cousin wurde und darauf zu ihrem Ehemann. Und zu guter Letzt ist er ihr altes Krokodil geworden.

Das Krokodil, das ihr seine Pranke auf den Mund legte und sie aufforderte zu schweigen. Das für einige Minuten auf sie hinaufstieg, wortlos, um sich dann wieder zu erheben, sich zu waschen und sich in seinen Kokon zurückzuziehen. Während sie selbst erwachsen wurde, reifer, wurde Anwar zum alten Mann. Stundenlang trank er nur Wodka, spielte mit seiner goldenen Gebetskette und wickelte dabei zwielichtige Geschäfte ab. Sie gewöhnte sich schnell an sein soziales Milieu, begleitete ihn zu Partys und Essenseinladungen in den Häusern von Geschäftsleuten, wo sich die Männer von den Frauen absonderten. Sie verbrachte ganze Vormittage mit den Frauen seiner Freunde und Geschäftspartner und dachte nicht darüber nach, ob sie glücklich war oder nicht. Sie ärgerte sich über das Getue der Ehefrauen, denen gegenüber sie auf Anwars Wunsch hin eine scheinheilige Höflichkeit an den Tag legte oder die sie manchmal sogar einladen musste. Anwars Freunde, die meisten von ihnen Minister oder Händler im großen Stil, waren allesamt Interessenvertreter und Anteilseigner etlicher Firmen, innerhalb Syriens wie auch im Libanon und in Jordanien.

Hanan nahm an Wohltätigkeitspartys teil und ging gemeinsam mit anderen Frauen der wohlhabenden Schicht zu den Sitzungen von Scheicha Amîna, die im Damaszener Malki-Viertel wohnte. Sie besuchte Freundinnen und empfing Verwandte, die auf einen kurzen Besuch aus dem Ausland zurückkehrten. Und sie bekam mit, wie die Besitztümer ihres Mannes immer weiter anwuchsen.

Seine Geschäftsfreunde – Leute, die man sonst nur im Fernsehen sah oder vom Namen her kannte – waren ihr manchmal etwas unheimlich. Aber sie war auch gelangweilt. Diese Leute langweilten sie. Ihr ganzes Leben langweilte sie. Gleichzeitig konnte sie all das, woran sie sich gewöhnt hatte, nicht mehr aufgeben: ihr gesetztes Leben, die Soireen der höheren Gesellschaft, auf denen sie sich bewegte wie eine verwöhnte Prinzessin, ihre ganzen Bedürfnisse und ihr Einkaufstick. Sie bekam alles, was sie wollte, außer Kinder. Sie war rund um den Globus gereist für ein Baby und stets enttäuscht zurückgekehrt.

Erst als sie auf einer der Dinnerpartys Madame Nâsik kennenlernte, wurde alles anders. Plötzlich machte sie die Erfahrung, wie es ist, wenn man das Aufgehen der Sonne kaum erwarten kann und freudig aus dem Bett springt, um das Haus zu verlassen.



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