Die fernen Tage der Liebe - Roman by James King

Die fernen Tage der Liebe - Roman by James King

Autor:James King
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Aufbau Verlag


17

Gelegentlich stieß Bill mit dem Kopf ans Fenster, wenn die Räder über einen Riss in der Fahrbahn rollten, aber die meiste Zeit über war es eine ruhige Fahrt. Normalerweise hätte das eintönige Brummen des Motors ihn vermutlich eingeschläfert, wenn er nicht so entsetzt gewesen wäre. Es wusste, dass seine Enkeltochter ebenfalls angespannt war, aus welchem Grund auch immer. Ständig sprach sie ihn von der Seite an und fragte, ob sie in die richtige Richtung fuhren. Er nickte dann, weil er nicht die Kraft zum Sprechen fand. Einmal hatte er wohl nicht schnell genug reagiert, denn sie hatte ihn in die Seite gestoßen, wahrscheinlich, um herauszufinden, ob er noch atmete. Nach und nach hatte seine Erregung sich etwas gelegt und seine Panik in etwas anderes verwandelt, eher eine Art Neugier. Er wünschte sich ein wenig Zeit – und ein wenig Ruhe bitteschön, damit er dahinterkommen konnte, was genau da eben passiert war.

»Ich dachte, du hättest Durst.«

Wie ein kleiner Junge, der endlich einsah, dass es zwecklos war, sich weiter mit der Mutter zu streiten und er das Gemüse doch essen musste, schraubte Bill eine der Flaschen auf und nahm einen Schluck.

»Und noch ein kleiner Rat, Grandpa.« Nicht jeder kann auf hundert Dollar rausgeben.«

Bill wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Hatte ich dir hundert gegeben?«

»Ja, hundert hast du mir gegeben. Und ich kann die sagen, dieser … Scheißkerl … war nicht erbaut.«

Na und, dachte Bill, dann hatte sie eben ein bisschen Ärger gekriegt, weil sie es nicht kleiner hatte. War das etwa alles, worüber sie sich so aufregte?

»Es war keine schöne Erfahrung.«

Bill nahm noch einen Schluck. Vielleicht sollte er ihr mal ein paar Takte über wirklich unschöne Erfahrungen erzählen. Zum Beispiel die, wenn ein alter Mann an einer Tankstelle auf die Toilette ging und ohne besonderen Grund bester Laune war, geradezu euphorisch sogar, bis er in den Spiegel schaute und ihm plötzlich der Schweiß in Strömen ausbrach und er merkte, dass ihm die Beine wegknickten und er keinen blassen Schimmer mehr hatte, wo er steckte oder was er machte.

»Verrückt«, sagte er.

»Was ist verrückt?«

Bill war überrascht, dass er laut gesprochen hatte. »Ach, nichts weiter«, wehrte er ab. Wenn man drüber redete, war es vielleicht nicht mehr ganz so verrückt und wurde logischer. Aber Bill redete nicht gern über Dinge, außer er war sich ziemlich sicher, wie das Gespräch verlaufen würde – oder wenigstens, wo er es haben wollte. Und es war schlichtweg unmöglich vorherzusagen, wie seine Enkelin reagieren würde, wenn er ihr erzählte, dass ihn, nachdem er in den Spiegel geschaut hatte, die Panik angefallen hatte wie ein lebendiges Tier, das drohend über ihm schwebte und ihn verschlingen wollte. Um die Angst niederzuringen, hatte er eine rasche Bestandsaufnahme gemacht. Er hatte gelernt, wie man so etwas machte, obwohl er nicht mehr wusste, wo oder wann. Er war Bill Warrington. Er befand sich irgendwo auf einer schmutzigen Toilette. Er schwitzte. Was noch? Nichts anderes wollte ihm einfallen.

»Wenn du nicht reden willst, auch gut. Soll mir recht sein.«

Bill schaute hinüber. Sie redete genauso wie Marcy.



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