Die Farben der Freiheit by Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn

Die Farben der Freiheit by Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn

Autor:Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2013-01-29T00:00:00+00:00


Das Haus der Familie Fuß erstreckte sich in beinahe hochherrschaftlicher Größe. Beeindruckt betrachtete Joseph die kunstvollen Steinmetzarbeiten an den Fenstern und über der Tür. Ehe sich die Bewunderung zu echter Nervosität auswachsen konnte, betätigte er den Türklopfer.

Ein makellos gekleidetes Dienstmädchen öffnete. »Sie wünschen?«

»Joseph Scheffel aus Heidelberg. Melden Sie mich bitte bei Frau Hoffmann.«

»Einen Moment, gnädiger Herr.« Das Dienstmädchen schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Verdutzt wartete Joseph. Es dauerte eine geraume Weile, bis erneut geöffnet wurde. Statt des Dienstmädchens sah sich Joseph einem älteren Herrn gegenüber, der ihn schweigend von Kopf bis Fuß musterte. Joseph schluckte. Dieser Mann strahlte eine Härte aus, gegen die sein Vater sanftmütig wirkte.

»Sie sind also der junge Mann, der meiner Tochter Avancen macht?« Die Stimme klang tief und sonor und war frei von jeglicher Gefühlsregung.

Ehe Joseph antworten konnte, hörte er eine zweite Stimme, und sein Herz begann zu rasen. »Das ist Joseph Scheffel, Vater. Ich kenne ihn aus Heidelberg. Er ist Rechtspraktikant und Dichter, und ich freue mich sehr, dass er mich besucht. Joseph …« Henriette streckte ihm die Hand hin, während sie ihren Vater bittend ansah.

»Ein Dichter, so, so! Nun, bitte den jungen Mann meinethalben in den Salon.«

»Danke, Vater.« Henriette war schmal geworden, und die dunkle Seide ihres Kleides verlieh ihr ein beinahe geisterhaftes Aussehen. Am liebsten hätte Joseph sie in seine Arme gerissen, aber er begnügte sich damit, seine Lippen auf ihre Hand zu drücken, die immer noch in der seinen lag. Plötzlich verkrampften sich ihre Finger. Joseph hob den Kopf. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Straße.

»Max?«, flüsterte sie. »Max, bist du es wirklich?« Sie riss ihre Hand aus Josephs Griff, rannte auf die Straße und fiel ihrem Bruder um den Hals. Doch ehe er ihre Umarmung erwidern konnte, stieß sie ihn auf Armeslänge zurück und starrte ihn an. Der breitkrempige Schlapphut war ihm in den Nacken gerutscht und enthüllte verschorfte Wunden auf Lippe und Wange. Ihr Blick wanderte tiefer über das blaue Hemd, die Wollhose und die hohen Stiefel. »Oh Max«, sagte sie leise, mehr nicht.

Eine leichte Röte überzog sein Gesicht. »Freust du dich wenigstens, mich zu sehen, Jette?«, fragte er. Die Fröhlichkeit in seinem Ton wirkte brüchig.

»Natürlich! Auch wenn du es nicht verdienst.«

Er grinste schief und sah zum Haus, das er immer noch nicht betreten hatte. »Herr Vater?«

Der alte Herr verschränkte die Arme vor der Brust. »Was willst du?«

Max wurde eine Schattierung blasser. Er lächelte noch immer, doch Joseph kannte die Anzeichen des aufbrausenden Temperaments, das hinter seinen grünen Augen brodelte. »Ich bin hier, um meine Familie zu sehen. Es ist mein Recht, und mehr verlange ich nicht.«

»Papperlapapp!«

»Bitte, Vater!«, flehte Henriette.

»Waldemar, das ist nicht gottgefällig.«

Henriettes Vater erstarrte. »Geh wieder zu Bett, Gertrude!«

Im Flur stand eine ausgezehrte Frau, die sich mühsam an der Wand abstützte. Ihr Atem ging schwer, und auf ihren Wangen brannten fiebrige Flecken. »Ich will meinen Sohn sprechen!«

»Mutter?«, rief Max. Er löste sich von seiner Schwester und trat einen Schritt auf das Haus zu, das sein Vater immer noch versperrte. »Was fehlt dir?«

»Sie ist krank geworden«, entgegnete Waldemar Fuß hart.



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