Die Fabrikation des Feindes - und andere Gelegenheitsschriften by Carl Hanser Verlag

Die Fabrikation des Feindes - und andere Gelegenheitsschriften by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783446245877
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2014-02-11T23:00:00+00:00


Doch zurück zu Victor Hugo. Nehmen wir ein Gebiet, das typisch für den romantischen Exzess ist: die Darstellung des Hässlichen und des Bösen.

Vom Peliden Achilles bis zur Romantik war der Held immer schön gewesen, während der Böse von Thersites bis mehr oder minder zur selben Epoche fast immer hässlich, grauenhaft, grotesk oder lächerlich war. Und wenn man einen Bösen zum Helden erhob, ließ man ihn schön werden, siehe den Satan bei Milton.

Aber schon mit der gothic novel kehrt sich die Perspektive um: Nicht nur erscheint der Held jetzt beunruhigend und zum Fürchten, sondern auch der Antiheld in seiner Düsternis wird, wenn nicht faszinierend, zumindest interessant.

So sagt Byron von seinem türkischen Giaour, »finster und unirdisch« sei die Stirn, die aus seiner dunklen Kutte hervorscheint, sein Auge und sein bitteres Lächeln weckten Schrecken und Schuldgefühle. Und von einem anderen düsteren Geist sagt Ann Radcliffe in The Italian, or the Confessional of the Black Penitents, seine eindrucksvolle Gestalt sei von hohem, hagerem Wuchs, und wenn er mit großen Schritten vorbeieile, in die schwarzen Gewänder seines Ordens gehüllt, habe sein Anblick etwas Erschreckendes und fast Übermenschliches, während seine Kapuze, die einen Schatten auf sein bleiches Gesicht werfe, seinen großen melancholischen Augen etwas Grauenhaftes verleihe…

Beckfords Vathek ist von angenehmer und majestätischer Gestalt, doch wenn er in Wut gerät, wird eines seiner Augen so schrecklich, dass man seinen Blick nicht erträgt, und der Unglückliche, auf dem dieser Blick ruht, bricht zusammen und ist manchmal auf der Stelle tot. Stevensons Mr. Hyde ist blass und zwergenhaft, er wirkt missgebildet, ohne eine bestimmte Missbildung aufzuweisen, sein Lächeln berührt unangenehm, sein Verhalten ist eine verwirrende Mischung aus Schüchternheit und Dreistigkeit, und er spricht mit einer heiseren, wispernden, irgendwie gebrochenen Stimme, so dass er insgesamt Widerwillen, Ekel und Angst hervorruft.

Von Emily Brontës Heathcliff in Wuthering Heights heißt es, seine Stirn sei verdüstert von einer schweren Wolke, seine Augen seien basiliskenhaft, seine Lippen zusammengepresst in einem Ausdruck unsagbarer Trauer. Und von Eugène Sues Räuber »Schulmeister« in den Geheimnissen von Paris, sein Gesicht sei kreuz und quer von tiefen, bläulichen Narben durchzogen, seine Lippen seien geschwollen von der zersetzenden Wirkung des Vitriols, die Nase abgeschnitten und ersetzt durch zwei unförmige Löcher, der Kopf übermäßig dick, die Arme lang, die Hände kurz, dick und behaart bis an die Fingerspitzen, die Beine auswärts gebogen, die Augen unstet, beweglich und funkelnd wie die einer Wildkatze.

Aber Victor Hugo ist auch in der Darstellung des Hässlichen exzessiv, und das aus Gründen, die er in seiner berühmten Vorrede zum Cromwell darlegt, wo er seine Theorie von der Revolution des Schönen ausbreitet, das sich in der Romantik ins Gegenteil verkehre, ins Hässliche und Missgestaltete und jedenfalls ins Groteske.

Der moderne Genius – schreibt er – verwandle die Riesen in Zwerge; aus den Zyklopen forme er sich die Gnome. Die Nähe zum Missgestalteten habe dem modernen Erhabenen etwas gegeben, was größer und erhabener sei als das antike Schöne.

Das Groteske sei die Kehrseite des Erhabenen, der Schatten des Lichts, die reichste Quelle, die die Natur der Kunst anbieten könne. Die allgemeine Schönheit,



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