Die Ermordung Margaret Thatchers by Mantel Hilary

Die Ermordung Margaret Thatchers by Mantel Hilary

Autor:Mantel, Hilary [Mantel, Hilary]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832188184
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2014-10-28T00:00:00+00:00


Wie soll ich Sie erkennen?

Eines Sommers in den nutzlos ausklingenden Neunzigern musste ich London verlassen, um vor einer literarischen Gesellschaft von der Art zu sprechen, die schon zu Ende des vorangegangenen Jahrhunderts altmodisch gewirkt haben muss. Als der Tag kam, fragte ich mich, wie ich den Leuten nur hatte zusagen können, aber ein Ja ist eben leichter als ein Nein, und natürlich denkt man zur Zeit eines Versprechens, dass es nie so weit kommen wird: dass es vorher einen nuklearen Holocaust gibt oder sonst etwas dazwischenkommt. Im Übrigen empfand ich eine sentimentale Sehnsucht nach jenen lange vergangenen Tagen der Selbstveredelung. Die Leseclubs damals wurden von Tuchhandelsmeistern und ihren Verkäuferinnen-Frauen gegründet, von Verse schmiedenden Ingenieuren und treu sorgenden Ärzten, deren lange Winterabende mit etwas ausgefüllt werden wollten. Wer hält diese Clubs heute noch am Leben?

Ich führte zu der Zeit ein Wanderleben und mühte mich mit der Biografie einer Person ab, die ich nicht mehr mochte. Seit zwei, drei Jahren schon war ich in einem undankbaren Kreislauf gefangen, in dem ich hinter mir selbst aufräumte, einsammelte, was ich bereits einmal eingesammelt hatte, und es auf Computerplatten übertrug, die sich periodisch über Nacht löschten. Ständig war ich mit meinen Karteikarten, Büroklammern und den billigen Kladden unterwegs, in denen ich mir meine Notizen machte. Diese Kladden gingen leicht verloren, ich ließ sie in Taxis liegen, in den Gepäckablagen von Zügen oder warf sie mit Stapeln ungelesener Zeitungen vom Wochenende weg. Manchmal sah es aus, als wäre ich auf ewig dazu gezwungen, meinen eigenen Schritten zu folgen, zwischen Euston Road und den Zeitungssammlungen, die sich in jenen Tagen noch in Colindale befanden: zwischen dem regendurchtränkten Vorort Dublins, in dem meine Person das Licht der Welt erblickt hatte, und der nördlichen Industriestadt, in der er sich, zehn Jahre nachdem er nicht mehr von Nutzen war und auch nicht mehr zur Dekoration taugte, in einem Bahnhofshotel die Kehle durchschnitt. Ein »Unfall«, sagte der Coroner, aber es besteht der starke Verdacht einer Vertuschungsaktion, muss er sich für einen Mann mit Vollbart doch äußerst heftig rasiert haben.

Ich trieb in dem Jahr verloren dahin, ich bestreite es nicht, und da meine Tasche stets gepackt war, gab es keinen Grund, der literarischen Gesellschaft einen Korb zu geben. Sie bäten mich, sagten sie, ihren Mitgliedern eine schwungvolle Zusammenfassung meiner Recherchen zu geben, knapp auf meine drei frühen, kurzen Romane einzugehen und anschließend Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Danach werde es eine Dankesrede geben (das Pathos verunsicherte mich ein wenig). Sie boten mir ein bescheidenes Honorar an (die Summe wurde genannt) und wollten mich in der Pension Rosemount einquartieren. Das Haus sei ruhig gelegen, und sie würden mir, hieß es verheißungsvoll, ein Foto schicken.

Das Foto kam mit dem ersten Brief des Sekretärs. Er war mit einer Maschine, die das »h« in die Höhe springen ließ, in doppeltem Zeilenabstand auf ein kleines blaues Blatt getippt worden. Ich hielt das Foto ins Licht und sah mir meine Herberge an. Es gab die Andeutung eines Tudor-Giebels, ein Erkerfenster und etwas wilden Wein, der allgemeine Eindruck



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