Die Endlichkeit des Lichts by Riedel Susanne

Die Endlichkeit des Lichts by Riedel Susanne

Autor:Riedel, Susanne [Riedel, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Betrunken musterte Verna ihn, ihr Gesicht wurde erst blaß, dann herb und weiß wie eine Seerose. Je höher ihr Alkoholpegel stieg, um so verschlossener sah sie aus, aber vielleicht lag es auch am Wein, den er selbst ohne abzusetzen trank. Außerdem mußte er dringend pinkeln. Bis zum Kragen war er angefüllt mit Vernas Kälte, die sich durch seltsame, osmotische Vorgänge seines Körpers bemächtigt hatte.

»Meine Million ist jedenfalls noch nicht voll«, stellte sie fest, »trotz all dieser geistlosen Sendungen, trotz einer Milliarde belangloser Arbeitsessen mit Leuten wie Ihnen. Nicht mal eine kleine Million. Was haben Sie mit Ihrer vor?«

»Ich habe vor, sie nicht wahrzunehmen!«

»Verdammt, Mann!« sagte sie. »Was ist bloß los mit Ihnen? Sind Sie nicht ganz dicht? Fehlen Ihnen die normalen Instinkte? Oder haben Sie vor, sich heilig sprechen zu lassen? Alakar, der heilige Mönchskopf?«

»Der Mönchskopf, Clitocybe geotropa«, sagte er übergangslos, »ist ein jung eßbarer Pilz. Übrigens kommt er auch in Hexenringen vor.«

»Die Million!« sagte sie. »Ich habe Sie doch nur nach Ihrer Million gefragt.«

»Interessieren Sie sich einzig und allein für Geld?«

»Natürlich«, sagte Verna grinsend, »für Geld und für Männer. Wie alle richtigen Frauen.«

»Machen Sie sich doch nicht lächerlich!« sagte Alakar, seine Blase rührte sich wieder, und er spürte bereits, wie sie die wichtigen Kapazitäten seines Gehirns zu steuern begann. Ein aberwitziger Mönchskopf, der dieser Frau gegenübersaß, einem mit Leere gefüllten Kleid in der Farbe von Zitronenpudding. Hingegeben führten sie eine groteske, dümmliche Unterhaltung über Speisepilze und Geld, während Verna ihn mit Dorisblicken musterte. Aber seine letzten Körperfunktionen reduzierten sich auf ein Brennen im Genital.

»Ich hatte mal einen Freund, Izzy Stern«, sagte sie, »und ich glaube, er hätte in Ihnen etwas Überragendes vermutet. Die Inkarnation des ewigen Buddha zum Beispiel.«

»Danke«, sagte Alakar.

»Es war aber überhaupt nicht als Kompliment gemeint.«

»Ach so«, sagte Antonio mit Alakars Stimme. Unterhaltung beendet. Meine Blase. Ich kann nicht mehr.

»Diese Frau«, sagte Verna Albrecht, »Ihr Opfer, hatte wirklich einen mitleiderregenden Ausschlag.«

Es war die einzige angemessene Bemerkung, Pilzen angemessen, Millionen, sie hätte von ihm selbst stammen können. Geh endlich zum Klo, sagte Antonio scharf, oder deine Blase wird dich zerstören. So war er immer, redete Unsinn, ein Physikersohn, der nicht verstand, daß die Existenz der Geraden eine Erfindung war, daß Wege nie von A nach B verliefen. Stets sprengte die Wirklichkeit den Namen, die Zahl war kleiner als das Gezählte, und das Bild größer als das Wort. Batmans Strichführung dagegen blieb schief und krumm, und nie kamen die Linien dort an, wo sie ankommen sollten. Visumotorische Wahrnehmungsstörung, sagte seine Mutter. Dummes Zeug, sagte Alwin, der ist faul wie Bohnenstroh! Dumm wie Bohnenstroh heißt es, sagte seine Mutter. Dann eben dumm wie Bohnenstroh, sagte sein Vater.

Er wollte endlich pinkeln gehen, er wollte Verna endlich von T.S. Eliot erzählen. Davon, wie einsam ein Dichter in seiner Einsamkeit ist, wie er ein Wort nimmt und den richtigen Weg wählt, jenen Weg, der die Befreiung von Sinnlosigkeit verspricht. Ich habe Gott gewählt, wollte Alakar sagen. Wie Eliot habe ich Gott gewählt, Gott und die sinnlosen Dinge, die Gott geschaffen hat, um sie mit Wesen zu erfüllen.



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