Die Bruderschaft des Schmerzes by Norman Spinrad
Autor:Norman Spinrad [Spinrad, Norman]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Moewig 3574
veröffentlicht: 2014-02-09T16:00:00+00:00
„Ich verstehe dich nicht, Bart Fraden“, sagte Sophia O’Hara. „Ich verstehe dich ganz und gar nicht. Ich gehe davon aus, daß ich kein völliger Einfaltspinsel bin. Zwar kann ich mir dunkel vorstellen, warum du es darauf angelegt hast, daß sich alle Töter oben auf diesem Hügel einnisten, so wie sie es ja nun auch getan haben. Ich kann sogar begreifen, warum Kugelkopf sie dort nicht angreifen soll. Vermutlich sollen sie einfach dort oben hocken und allmählich verhungern. Ich gebe zu, daß darin eine gewisse scheußliche Zweckmäßigkeit liegt, wenn du dich auch nicht allzusehr darum gekümmert hast, was aus den Landleuten wurde, als die Töter hier durchzogen und die Leute fortlaufen und sich verstecken mußten, wobei viele von ihnen verhungert sind. Selbst das verstehe ich, da ich weiß, wie dein gewundenes Gehirn arbeitet. Aber nun, nach all der Mühe, die du dir gemacht hast, und nach all den Menschenleben, die es gekostet hat, sitzen sie endlich oben auf diesem Hügel in der Falle, ohne Nahrung und Munition, und nun läßt du es zu, daß Hunderte von Tötern, die mit Massen von Nahrung und Munition bepackt sind, fast bis zu ihren blutdürstigen Kumpanen auf dem Hügel vordringen. Warum? Warum? Warum?“
Bart Fraden sah hinüber zur anderen Seite des Guerilla-Camps, wo Willem und seine Herogynsüchtigen, die zum ersten Mal alle mit Schnittpistolen bewaffnet waren, im Dschungel verschwanden. Es war ein hoher Einsatz, sie mit Schnittpistolen auszurüsten, aber der Gewinn war es wert.
„Fradens Regeln für die Revolution“, sagte er. „Regel eins: Mach keinen Narren aus dir, gib dich nicht damit zufrieden, tausend Feinde zu töten, wenn du sechzehnhundert erledigen kannst. Regel zwei: Laß dir nie eine Gelegenheit entgehen, dir Munition zu verschaffen. Regel drei: Sechzehnhundert Mann ohne Nahrung und Munition sind noch schwächer als tausend Mann, die genauso schlecht ausgerüstet sind.“
„Ich danke dir für deine Erklärung“, erwiderte Sophia. „Jetzt ist alles so klar wie Grießbrei.“
„Sieh mal, Soph, mein Plan ist der, die Männer der Entsatztruppe zu den Eingeschlossenen durchzulassen, aber nicht die Versorgungsgüter. Dann müssen nämlich noch mehr Töter versuchen, hundert Meilen weit zu marschieren, um sich in Sicherheit zu bringen. Und je mehr Männer es sind, desto weniger Nahrung und Munition wird jeder einzelne von ihnen haben und desto leichteres Spiel werden wir mit ihnen haben. Comprende?“
„In der Theorie schon“, versetzte sie, „schließlich bin ich kein Idiot. Aber wie viele von deinen Männern werden dich all diese Feinheiten kosten? Du hast gesagt, daß wir selbst unter günstigsten Bedingungen immer davon ausgehen müssen, daß wir genauso viele Männer verlieren, wie Töter getötet werden. Ich kann mir leicht an den Fingern abzählen, daß du also damit rechnest, daß wir sechzehnhundert von unseren Leuten verlieren. Eintausendsechshundert Mann, das ist doch kein Pappenstiel!“
Fraden seufzte. „Es gibt fünfzehn Millionen Sangraner und nicht einmal dreißigtausend Töter“, sagte er.
„Also?“
„Also können wir es uns leisten, daß wir ein Jahr lang in jeder Woche fünftausend verlieren. Solange wir siegreich bleiben, solange wir unsere Herrschaft über das Land ausdehnen und solange wir Töter töten, haben wir eine unerschöpfliche Quelle für unser Kanonenfutter. So einfach ist das!“
„Das ist so einfach, wie …“ Sie starrte ihn an und schüttelte erstaunt den Kopf.
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