Die Blutsfeinde by Robyn Young

Die Blutsfeinde by Robyn Young

Autor:Robyn Young [Young, Robyn]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-16T05:00:00+00:00


Chateau Vincennes, Königreich Frankreich

20. Juni A. D. 1303

Rose zog den Kamm durch das dichte schwarze Haar der Königin. Ab und an verfingen sich die Zinken in kleinen Knötchen, die sie geduldig entwirrte, ehe sie mit dem Kämmen fortfuhr. Jeannes Gesicht schien im Spiegel zu schweben wie ein blasser Mond in einem Teich. Ihre Augen waren geschlossen, sodass Rose Gelegenheit hatte, sie eingehend zu betrachten. Seit sie vor zwei Wochen in dem Schloss eingetroffen waren, war die

Königin ungewöhnlich still und bedrückt. Rose hatte Spannungen zwischen ihr und dem König gespürt, der auf einem Feldzug gewesen war und die Begleitung seiner Frau strikt abgelehnt hatte. In dem durch das Fenster flutenden Sonnenlicht wirkte Jeannes Gesicht bleich. Auf ihrer Oberlippe sprossen einige unübersehbare schwarze Haare. Marguerite hatte sich taktvoll erboten, sie auszuzupfen, aber die Königin hatte nur unwillig den Kopf geschüttelt.

Jeanne hatte sich schon immer mehr für Bücher und den Erwerb von Wissen interessiert als für die Schönheitspflege, mit denen die anderen Edel am Hof ihre Tage auszufüllen schienen. Sie erstanden bei den venezianischen Händlern auf dem Markt parfümierte Seife, Elfenbeinkämme und funkelnde Halsketten, bewunderten bei den Mahlzeiten in der großen Halle gegenseitig ihre Gewänder und tauschten dann hinter dem Rücken ihrer Rivalinnen boshafte Bemerkungen aus. Als Kammerzofe, bedeutend genug, um sich im selben Raum wie diese Frauen aufzuhalten, aber zu unbedeutend, um bemerkt zu werden, hörte Rose sie alle. Mar- guerite und die anderen Mädchen nutzten ihren Status als Zofen der Königin aus, um Jeanne billige Schmuckstücke abzuschwatzen. Damit angetan, flatterten sie dann wie bunte Schmetterlinge durch die Gänge und versuchten die Aufmerksamkeit von Adeligen und hohen Beamten auf sich zu lenken. Rose, unauffälliger als die anderen, hatte Blanche einmal mit einem Kammerdiener in einer dunklen Ecke des Palastes ertappt. Der Mann hatte sie gegen eine Wand gedrückt, die Lippen auf ihren Hals gepresst und eine Hand unter ihren Rock geschoben. Auf Blanches erhitztem Gesicht hatte ein Ausdruck gelegen, der zwischen Ekstase und Verlegenheit schwankte.

»Ich bin gespannt, was sie auf der Jagd erlegt haben.«

Rose zuckte zusammen, als sie merkte, dass die Königin die Augen aufgeschlagen hatte und sie ansah.

»Ich habe Monsieur Henri sagen hören, dass er meint, sie könnten auf Wildschweine stoßen«, erwiderte Marguerite. Sie eilte geschäftig in der Kammer umher, suchte Kleidungsstücke der Königin zusammen und reichte sie Blanche, die sie auf das Bett legte. »Was wünscht Ihr heute Abend bei dem Fest zu tragen, Madame?«

»Such du mir etwas aus.«

Im Spiegel sah Rose Marguerite lächeln.

»Das rotgoldene Gewand, denke ich. Es steht Euch so gut.« Marguerites Lächeln wurde breiter. »Der König wird den Blick nicht von Euch abwenden können.«

Rose bemerkte, wie die andere Zofe zu ihr herüberschielte. Ein feindseliger Funke glomm in ihren Augen auf. Rose überlegte, was das zu bedeuten haben mochte, wurde aber von der Stimme der Königin abgelenkt.

»Lasst mich einen Moment allein. Ich möchte mit Rose sprechen.«

Roses Verwirrung wich plötzlichem Unbehagen.

»Natürlich, Madame.« Marguerite nickte. Mit einem weiteren, fast triumphierenden Blick in Roses Richtung verließ sie, Blanche und die anderen drei Zofen vor sich her scheuchend, den Raum.

Rose zwang sich, mit dem Kämmen fortzufahren, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihre Hände leicht zitterten.



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