Die Besiegten by Gerwarth Robert

Die Besiegten by Gerwarth Robert

Autor:Gerwarth, Robert [Gerwarth, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Siedler
veröffentlicht: 2016-12-13T07:35:39+00:00


© Peter Palm, Berlin

Verglichen mit Ungarns Gebietsverlusten waren die Verluste Bulgariens, dem einzigen Balkanstaat, der im Ersten Weltkrieg aufseiten der Mittelmächte gekämpft hatte, weniger niederschmetternd, was die Bulgaren freilich anders sahen. Wie alle Verliererstaaten war Bulgarien auf der Friedenskonferenz nicht vertreten, und wie überall hatte man auch in Sofia zunächst alle Hoffnung auf das Prinzip der nationalen Selbstbestimmung gesetzt. Im Falle Bulgariens gab es drei Regionen außerhalb der neuen Staatsgrenzen, in denen Bulgaren in der Überzahl waren: in der südlichen Dobrudscha entlang der westlichen Schwarzmeerküste, in Westthrakien an der Nordseite der Ägäis und in Teilen Makedoniens. Leider wurden alle drei Gebiete auch von Nationen beansprucht, die als befreundete Staaten der Alliierten galten: Rumänien forderte die Süddobrudscha (obwohl dort gerade einmal 10000 Rumänen unter den 300000 Bewohnern lebten), das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen verlangte Makedonien, und Griechenland erhob Ansprüche auf Westthrakien.152

Die bulgarische Delegation wurde im Juli 1919 nach Paris zitiert, erhielt den Vertragsentwurf aber erst zweieinhalb Monate später.153 Die Alliierten begegneten den Bulgaren dort mit unverhohlener Feindseligkeit. Der Diplomat Harold Nicolson, der vor dem Krieg in der britischen Botschaft in Konstantinopel gearbeitet hatte und den Balkan besser als die meisten anderen Mitglieder der alliierten Delegationen kannte, gab sich besonders unversöhnlich: »Ihre Überlieferung, ihre Geschichte, ihre bestehenden Verpflichtungen hätten sich an die Sache Rußlands und der Entente binden müssen. Sie hatten sich schon im Jahre 1913 verräterisch benommen und hatten es im Großen Kriege noch einmal getan. Durch rein materielle Erwerbsmotive bewogen, hatten sie sich an Deutschland angeschlossen und dadurch den Krieg um zwei ganze Jahre verlängert.«154

Der bis November 1919 amtierende bulgarische Ministerpräsident Teodor Teodorow bemühte sich, diese Argumente zu entkräften, indem er darauf verwies, dass das bulgarische Volk das Kriegsbündnis mit Deutschland stets abgelehnt habe und die Eliten, die es befürworteten, nicht mehr an der Macht seien. Überdies betonte er, dass viele bulgarische Offiziere mit den Alliierten sympathisiert oder diese gar aktiv unterstützt hätten: »Wenn schon andere Nationen allein für ihr Wohlwollen und ihre Freundschaft der Entente gegenüber belohnt werden … wieso sollte man dann nicht anerkennen, dass auch unser Volk eine ganz ähnliche Gesinnung bekundet hat – belegt durch Tausende Maßregelungen und Hinrichtungen von Soldaten, die sich dem Kampf verweigerten, und der Tatsache, dass 11 Generäle und über 100 bulgarische Offiziere als Freiwillige in der russischen Armee gegen die Deutschen kämpften.«155

Als der Vertragsentwurf im September schließlich vorlag, übertraf dessen Inhalt Sofias düsterste Erwartungen. Relativ gesehen enthielt das im November 1919 unterbreitete Abkommen von Neuilly-sur-Seine noch drakonischere Bestimmungen als der Vertrag von Versailles, den man den Deutschen auferlegt hatte. Sofia wurde zur Abtretung einer Fläche von insgesamt 11 000 Quadratkilometern gezwungen; das betraf unter anderem Westthrakien (an Griechenland) sowie vier Grenzregionen mitsamt der strategisch bedeutenden Städte Strumica, Caribrod und Bosilegrad und deren Umland (rund 2500 Quadratkilometer), die an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen fielen. Der Vertrag bürdete den bankrotten Bulgaren zudem schwindelerregende Reparationen in Höhe von 2250 Millionen Goldfranc auf, die im Laufe von 37 Jahren zu entrichten waren. Ferner musste Sofia sich bereit erklären, Griechenland, Rumänien



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