Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) by Köhlmeier Michael

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) by Köhlmeier Michael

Autor:Köhlmeier, Michael [Köhlmeier, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2013-01-27T23:00:00+00:00


Der Sommer 1967 war außergewöhnlich heiß, das sagten alle, auch Peter Schär von der Wetterprognose im Schweizer Radio, in das der Schweizerische Landessender Beromünster seit kurzem umbenannt war. (Peter Schär mochten wir gern, weil er über das Wetter redete, als wäre es etwas Lustiges, und sich immer mit einem Reim verabschiedete.) An manchen Nachmittagen konnte man es in der Werkstatt vor Hitze kaum aushalten. Die Gehülfen bockten die Autos draußen auf dem Vorplatz auf, schoben ihre Werkzeugwagen ins Freie, spannten Planen auf, um die Sonne abzuhalten, und an besonders heißen Tagen war es ihnen erlaubt, einen selbstgebauten Sprühkopf auf den Wasserschlauch zu schrauben und sich einmal in der Stunde durch künstlichen Regen Abkühlung zu verschaffen. Ich zerlegte derweil Vergaser, baute die Düsen aus, zog sie durch ein Benzinbad und blies sie mit Druckluft sauber oder suchte mir aus der Kiste mit den kaputten Anlassern brauchbare Teile, um einen »Altneuen« zusammenzubauen. Diese Arbeiten konnte ich jedoch nur drinnen tun. Der Zellenvater stellte mir eine andere Tätigkeit frei, draußen bei den anderen. Aber ich war zufrieden. Ich bewegte mich wenig, atmete flach und trank viel Wasser. Es war ein sinnvolles Leben. Ich wirkte gern an der Veränderung von Dingen mit. Obwohl mir an Veränderung im Prinzip nichts lag. Die Werkstatt war hell, und ich hörte die Stimmen der Gehülfen draußen auf dem Platz, ihr Hämmern und Schleifen, das Aufheulen der Maschinen und Motoren. Die Tore standen offen, ich sah ihre Hinterköpfe und ihre nackten braunen Rücken. Manchmal rief einer nach mir, ob ich ihm neue Zylinderlaufbuchsen bringe, oder ein anderer bat mich, mich ins Auto zu setzen und Gas zu geben, damit er die Drehzahl des Motors einstellen könne. Sie erdichteten Aufträge für mich, um mir eine Gelegenheit zu geben, auf den kühleren Vorplatz zu treten und etwas frische Luft zu schöpfen und mich unter ihren Regen zu stellen.

Die Kfz-Werkstatt war mit der Arbeit, die im Gefängnis anfiel, bei weitem nicht ausgelastet; neunzig Prozent der Kundschaft kam aus den umliegenden Gemeinden. Wir waren zwar nicht billiger als die freien Werkstätten, aber merkwürdigerweise hielt man uns für seriöser. Wir wurden mit Problemfällen konfrontiert, vor denen die draußen kapituliert hatten. Nicht selten kamen Gesellen von Betrieben der Umgebung, um sich bei uns nach Ersatzteilen umzusehen. Das hatten wir nicht gern, das brachte Unruhe. Wir mussten die Werkstatt verlassen, damit kein Kontakt zwischen uns und den Freien zustande kam. Wir standen draußen auf dem Vorplatz vor der verschlossenen Tür, während die Kunden im Beisein eines Wärters unser Lager durchstöberten, als hätten sie, nur weil sie frei waren, jedes Recht darauf. Der Preis für das jeweilige Ersatzteil wurde von den Wärtern ausgehandelt, die keine Ahnung hatten und eigentlich nur danach bemaßen, ob ein Ding sauber war und glänzte oder nicht. Aber es waren auch schöne Viertelstunden, weil wir gemeinsam fluchten. Oft fanden wir Zigarettenpackungen, wenn die freien Kollegen gegangen waren.

Nach einem halben Jahr übertrug mir der Zellenvater die Verantwortung für unser Lager. Ich reinigte und hämmerte alte Zündkerzen zurecht, kratzte Ablagerungen von den Elektroden der Verteilerköpfe,



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