DIALOG by Tino Hemmann

DIALOG by Tino Hemmann

Autor:Tino Hemmann [Tino Hemmann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Engelsdorfer
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


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Hinrich saß sinnierend neben seinem Assistenten im Auto. Sie waren auf dem Weg nach Mockau, dahin, wo Konrad Bergmann – Sebastians vermeintlicher Freund – einst gelebt hatte.

„Nu überleg dir mal“, sagte Hinrich nach einiger Zeit. „Da haben wir so einen riesigen Beamten- und Polizeiapparat, wir haben die größte Bürokratie, die überhaupt möglich ist. Und trotzdem kann ein Kind verschwinden, ohne dass es jemand merkt. Das ist doch seltsam, oder?“

Engler sagte nichts, ließ seinen Chef philosophieren.

„Und die Tante Ulla meinte, dass würden noch viel mehr werden, die in diesen Abgrund stürzen. Sie sprach von sozialem Notstand, der auf uns zukommt. – Aber …, wenn unser Staat so was zulässt, was hat dann unsre Arbeit für einen Sinn? Armut zieht häufig Verbrechen mit sich.“ Hinrich schwieg einen Moment. „Na, ich geh’ ja bald in Ruhestand …“, meinte er dann. Engler kratzte sich am Kinn. „Aber du … Du hast ja noch ein paar Jahre, Toni. – Man bekommt richtig Angst vor der Zukunft. Mir jedenfalls geht es so.“

Nun konnte auch der Kriminalassistent nicht länger schweigen. „Warten wir jetzt alle drauf, endlich zu sterben? – Nee, Herr Kommissar! Das bekommt die Wirtschaft schon wieder in Griff. Es gibt immer mal schlechte Zeiten, da müssen wir durch, jeder für sich. Und wir müssen alle aufpassen, dass nicht gerade die Schwächsten auf der Strecke bleiben, nämlich die Kinder. Aber erkläre das mal den Politikern! Die sparen wie blöd, zahlen den Vereinen, die sich um eine sinnvolle Freizeitgestaltung der Kinder kümmern, kein Geld. Ergo: Die Vereine müssen sich ihre Arbeit von den Eltern bezahlen lassen. Ergo: Die Eltern, die das Geld nicht haben, können ihren Kindern keine sinnvolle Freizeitbeschäftigung finanzieren. Ergo: Die Vereine sind pleite, weil keiner mehr kommt, weil das Geld fehlt. Und die Kinder verdummen zu Hause am Computer oder treffen sich in Klicken und gestalten sich ihre Freizeit selbst. Die einen ordentlich und die anderen werden abends von der Polizei nach Hause gebracht. Die Eltern sind unglücklich, weil sie ihren Kindern nichts bieten können, denn das Geld reicht nicht. Also greifen sie zur Flasche und einige werden selbst straffällig. Dann gibt es wiederum Eltern, bei denen sich die Existenzangst in Wut wandelt. Nicht selten lassen die dann die Wut an den eigenen Kindern aus. Die Kinder rennen weg, verwahrlosen oder entwickeln sich zu kleinen Verbrechern. Nicht selten kommen teure Drogen ins Spiel, die Abhängigkeit zwingt die Kleinen zur organisierten Kriminalität. Und wer ist schuld? Wer? Die Eltern? Nicht zwingend. Die Kinder? Keines Falls. Der Staat, die Gesellschaft. Dort sitzen die Schuldigen. So ist das. Frag mal die Kinder, was sie von einem neuen Bildermuseum halten, oder was man ihrer Meinung nach mit den Millionen hätte tun sollen!“

„Aber da ging’s doch um Fördermittel …“

„Fördermittel! – Scheiß Fördermittel!“, meinte Engler aufgebracht. „Wenn ich das schon höre! Das ging beim kleinen Mann los. Wie war das nach der Wende? Kauf dir ein Haus, du bekommst schließlich Fördermittel. Dass alles futsch sein könnte, wenn mal einer in der Familie arbeitslos wird und die Zinsen nicht mehr zahlen kann, das wurde den Häuslebauern nicht erzählt.



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