Des Mauren letzter Seufzer by Rushdie Salman

Des Mauren letzter Seufzer by Rushdie Salman

Autor:Rushdie, Salman [Rushdie, Salman]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-02T00:00:00+00:00


Sie wußte natürlich von Abrahams Tempelmädchen, hatte es von Anfang an gewußt. »Ein Mann, der Geheimnisse bewahren will, sollte nicht im Schlaf reden«, murmelte sie eines Tages unbestimmt. »Diesesnächtliche Kauderwelsch von deinem Daddy hat mich so gelangweilt, daß ich aus seinem Schlafzimmer ausgezogen bin. Als Lady braucht man einfach seine Ruhe.« Und wenn ich an diese stolze, vielbeschäftigte Frau zurückdenke, höre ich, wie sie mir zwischen den Zeilen dieser beiläufigen Bemerkungen noch etwas anderes sagt, höre ich, wie sie zugibt, daß sie, die immer jeden Kompromiß ablehnte und keinerlei Zugeständnisse machte, sich – trotz der Schwächen des Fleisches, die es ihm unmöglich machten, der Versuchung zu widerstehen, sich kleine Proben der aus dem Süden importierten Waren zu Gemüte zu führen – für ihn entschieden hatte. »Alte Männer«, schnaubte sie ein anderes Mal verächtlich, »ewig hecheln sie hinter den jungen Dingern her. Und die, die viele Töchter haben, sind die schlimmsten.« Eine Zeitlang war ich jung und naiv genug, um diese Betrachtungen als Teil eines Prozesses zu sehen, durch den sie sich in die Figuren ihrer Gemälde hineindachte; als dann aber – durch Dilly Hormus’ Hände – meine eigene Lust geweckt worden war, begann ich endlich klarer zu sehen.

Ich hatte mich immer über die achtjährige Pause zwischen Mynah und mir gewundert, und als in meinem jung-alten-Kinder-Ich allmählich Verstehen aufblühte wie eine züngelnde Flamme, war es mir – dem die Gesellschaft anderer Kinder versagt blieb und der daher in jungen Jahren schon über den Wortschatz eines Erwachsenen verfügte, ohne jedoch dessen Taktgefühl oder Selbstbeherrschung zu besitzen – einfach unmöglich, mich zurückzuhalten, und so platzte ich mit meiner Entdeckung heraus: »Ihr habt aufgehört, Kinder zu machen, weil er sich rumgetrieben hat.«

»Ich werde dir eine Backpfeife verpassen«, versicherte sie mir, »daß dir die Zähne in deinem frechen Gesicht wackeln!« Die Ohrfeige, die darauf folgte, verursachte jedoch keine nennenswerten Dentalschäden, und daß sie so sanft ausfiel, war mir Bestätigung genug.

Warum stellte sie Abraham wegen seiner ständigen Treuebrüche niemals zur Rede? Bitte, berücksichtigen Sie, daß Aurora Zogoiby, obwohl sie sich gern als Freidenkerin und Bohemienne gab, im tiefsten Innern ihres Herzens immer noch eine Frau ihrer Generation war, einer Generation, die ein derartiges Betragen bei einem Mann erträglich, ja sogar normal fand, während von den Frauen erwartet wurde, daß sie ihren Schmerz einfach abschüttelten und unter solchen Banalitäten verbargen wie dem Hinweis auf die animalische Natur der Männer, die eben regelmäßig der Hafer steche. Zum Wohl der Familie, dieses großen Absoluten, in dessen Namen alles möglich war, drückten die Frauen beide Augen zu und versteckten ihren Kummer in einem Stoffknoten am Ende einer Schärpe oder wie Kleingeld und die Hausschlüssel in einer kleinen Seidenbörse. Aber es konnte auch sein, daß Aurora wußte, wie sehr sie Abraham brauchte – ihn brauchte, damit er sich um die Geschäfte kümmerte und sie sich ausschließlich mit ihrer Kunst befassen konnte. Schon möglich, daß es so gewesen war, so einfach, gefällig und trivial.

(Eine Bemerkung über Gefälligkeit: Hinsichtlich Abrahams Entschluß, in den Süden zu reisen, während Aurora sich zu ihrer letzten Begegnung mit Mr.



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