Der zweite Planet by Cantrell Christian

Autor:Cantrell, Christian
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2014-12-17T05:00:00+00:00

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FUNKSTILLE

Obwohl Arik sich schneller erholte als erwartet, meldete sich Darien nach wie vor – meist in der Mittagspause – mit einer kurzen Text- oder Videonachricht bei ihm. Als Arik die aufgelaufenen Nachrichten durchsah, war diesmal keine neue Nachricht seines Vaters dabei. Dariens Arbeitsplatz war in den vergangenen zweiundvierzig Minuten und zweiundzwanzig Sekunden nicht aktiv gewesen, und es lag keine Statusmeldung vor. Es war ungewöhnlich, dass sein Vater in der Mittagszeit nicht erreichbar war. Normalerweise nahm er sein Fertiggericht mit ins Büro und verzehrte es vor dem Arbeitsplatz, während er die Ergebnisse der Wasseranalysen und die Druckanzeigen überprüfte und die Nachrichten durchging, die sich seit der letzten Arbeitssitzung angesammelt hatten.

Heute aber war Darien offline. Arik schickte einen Ping los und wartete auf Antwort. Irgendwo in der V1 wurde an der letzten bekannten Position seines Vaters auf einer leitenden Polymeth-Fläche eine Nachricht angezeigt, und es ertönte Dariens persönliches Rufzeichen.

Arik pingte andere Leute nicht häufig an. Er bevorzugte die asynchrone Kommunikation. In dringenden Fällen war es sinnvoller, eine Nachricht zu hinterlassen, auf die der Empfänger dann, wenn es ihm möglich war, ausführlich und angemessen antworten konnte. Wie die meisten Vertreter von Gen V betrachtete Arik Pings als unhöflich, wenngleich viele Bewohner der V1 dies anders sahen. Manche Leute – vor allem die, welche sich nicht für längere Zeit konzentrieren mussten und folglich die Vorzüge ungestörter Arbeit nicht zu schätzen wussten – dachten sich nichts dabei, täglich Dutzende von Pings zu versenden und ein und dieselbe Person gleich mehrfach anzupingen. Das waren die Benutzerkonten, die früher oder später auf fast jeder Spamliste landeten.

Einer der ursprünglichen Erfinder des Pingsystems hatte es für eine gute Idee gehalten, die 3-D-Raumkoordinaten zurückzusenden, sobald eine Pingbenachrichtigung angezeigt worden war. Dieses Feature diente vermutlich der Fehlerbehebung und wurde als so nützlich erachtet, dass man später darauf verzichtete, es wieder zu entfernen. Da Pingbenachrichtigungen in der Nähe des letzten bekannten Aufenthaltsorts einer Person – der etwa alle zehn Millisekunden aktualisiert wurde – angezeigt wurden, kam schließlich jemand auf die Idee, die 3-D-Koordinaten eines Pings mit einem Schaubild zu verbinden, damit man durch Aussenden eines Pings sehen konnte, wo sich eine bestimmte Person gerade aufhielt. Und da fast alle Innenwände der V1 aus leitendem Polymeth bestanden, gab es keinen Ort – buchstäblich keinen -, wo man vor einem Ping sicher war. Ursprünglich war die Technik für die meisten Leute zu kompliziert, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis der ganze Vorgang dokumentiert und von allen zu benutzen war. Nachdem die Technikabteilung monatelang täglich Beschwerden bekommen hatte, nahm sie sich schließlich die Zeit und entfernte eine einzelne Zeile des anstößigen Codes, wodurch die Privatsphäre in der V1 einigermaßen wiederhergestellt wurde.

Darien aber war ein so wichtiger Mann, dass er ständig erreichbar sein musste, und das galt erst recht nach Ariks Unfall. Selbst wenn sein Arbeitsplatz nicht geöffnet war, hielt er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Wasseraufbereitungsabteilung auf, sodass er mühelos zu erreichen war. Und das Verhältnis zwischen ihm und L’Ree war nicht so, dass Arik Sorge haben musste, sie bei einem mittäglichen Rendezvous zu stören.

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