Der verlorene Ursprung by Unbekannter Autor
Autor:Unbekannter Autor
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-29T05:00:00+00:00
»Weiter?« Eigentlich war das eher eine Aufforderung als eine Frage.
»Weiter«, erwiderte Proxi beherzt.
In der gleichen Reihenfolge, in der wir die Treppe hinuntergestiegen waren, betraten wir den Tunnel. Er war sehr lang, eine Art waagerechter, quadratisch angelegter Schacht. Boden, Decke und Wände bestanden aus großen, glattpolierten Steinquadern. Ich wußte nicht, was ich am Ende dieses sich endlos hinziehenden Ganges erwartet hatte, jedenfalls sicher nicht das, was auf einmal auftauchte. Vor Schreck gefror mir fast das Blut in den Adern. Schweigend stellte Proxi sich dicht neben mich und umklammerte meinen Arm, während unsere beiden Stirnlampen einen riesigen Kondorkopf anstrahlten, der uns aus blinden Augen vom Ende des Ganges her entgegenblickte.
»Mensch«, raunte sie, als sie sich von dem plötzlichen Schrecken erholt hatte. »Das haut einen um!«
Ich hörte einen hohen Pfiff. Ein dritter Lichtkegel wanderte über das Ungeheuer, und ich wußte, daß Jabba angekommen war und wie wir den riesigen Schädel betrachtete, der etwa drei Meter vor uns den Gang verschloß.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Jabba verstimmt.
»Keine Ahnung.«
Von der Decke des Tunnels aus wölbte sich der steinerne Kopf zu einer hohen, breiten Stirn. Zwei große, kreisrunde Augen saßen über einem riesigen, senkrecht abfallenden Schnabel. Er lief nach unten spitz zu und berührte beinahe den Boden. Auf beiden Seiten war ein wenig vom unteren Teil des Schnabels zu erkennen. Proxi machte mehrere Aufnahmen mit der Digitalkamera, die wegen der Dunkelheit automatisch die höchste Blitzintensität wählte und deren grelles Aufleuchten mich zusammenzucken ließ.
»Hier geht es nicht weiter«, sagte Jabba.
»Das werden wir ja sehen.« Proxi steckte die Kamera wieder ein und trat entschlossen auf die wuchtige Skulptur zu. Es schien, als brauche sich nur mal eben der Riesenschnabel zu öffnen, um meine Lieblingssöldnerin mit einem Haps zu verschlingen.
»Warte! Mach keinen Quatsch!« schrie Jabba.
Ich drehte mich zu ihm um, und die Lichtstrahlen meiner Taschenlampe tanzten über den Kondor und die Wände. Mir war, als hätte ich da etwas neben dem Kopf des Vogels gesehen. Ich achtete nicht weiter auf meine Kollegen, sondern leuchtete erneut alles ab, bis ich zu meiner Rechten ein sonderbares eingerahmtes Feld mit gemeißelten Zeichen darin entdeckte.
»Oh, oh ...« Jetzt hatte auch Proxi es bemerkt.
»Ich hoffe, das ist nicht einer von diesen Aymara-Flüchen«, sagte Jabba.
»Denk dran, sie können uns nichts anhaben«, flüsterte ich.
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Wir näherten uns vorsichtshalber ganz behutsam der Wand und standen schließlich, im Rücken das äußerst bedrohlich wirkende rechte Profil des riesigen Kondorschnabels, vor fünf in den Felsen gehauenen und mit einer dünnen steinernen Leiste umrandeten Tocapus.
»Hol mal den Laptop raus«, sagte Proxi, die den Fotoapparat schon wieder einsatzbereit in den Händen hielt. »Wir müssen die Tocapus mit JoviLoom übersetzen.«
»Das könnte ins Auge gehen!« warnte Jabba.
Mit einem besorgten Seitenblick auf die Skulptur hockte ich mich hin und lehnte mich dagegen, während ich den Computer aus der Tasche nestelte und einschaltete. Dann ließ ich mich im Schneidersitz nieder, und als das Betriebssystem hochgefahren war, startete ich das Übersetzungsprogramm meines Bruders. Die beiden Fenster öffneten sich, und mit der kleinen Laptopmaus zog ich die fünf Tocapus, die in die Wand gemeißelt waren, von einem Fenster ins andere hinüber.
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