Der verlorene Sohn by Dave Pelzer

Der verlorene Sohn by Dave Pelzer

Autor:Dave Pelzer [Pelzer, Dave]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-08T16:00:00+00:00


7. KAPITEL

Mutterliebe

Als Rudy Catanze mich in die Jugendstrafanstalt San Mateo County Juvenile Hall fuhr, hyperventilierte ich so heftig, dass ich fast in Ohnmacht fiel. Der obere Teil meines Brustkorbs fühlte sich an, als wäre er von einem riesigen Gummiband zusammengeschnürt. Selbst als Rudy mir in letzter Minute einige Ratschläge gab, konnte ich mich nicht konzentrieren, weil ich schreckliche Angst vor dem hatte, was mich als Nächstes erwartete.

Am Vorabend hatte mir Larry junior sehr lebhaft geschildert, was die größeren, älteren jungen dort mit den jüngeren, zarten, schwächlichen jungen anstellten, den so genannten »Frischlingen«. Als ich mich während der Aufnahmeprozedur vor dem Betreuer nackt ausziehen musste, fühlte ich mich total entwürdigt. Ehe ich duschen durfte, musste ich vor dem Anstaltsarzt meine Arschbacken spreizen, und nach dem Duschen zog ich die nicht gerade frisch riechende »Anstaltskleidung« an.

Ich erschauerte, als die massive Eichentür zu meiner Zelle hinter mir ins Schloss fiel. In weniger als einer Minute hatte ich meine neue Umgebung untersucht. Die Wände bestanden aus schmutzigen weißen Portlandzementsteinen. Die Zelle hatte einen verblichenen, eingewachsten Zementfußboden. Ich verstaute mein nasses Handtuch, meine Unterwäsche und die Strümpfe zum Wechseln in dem winzigen Regal. Als ich am Fußende des an die Wand montierten Bettes saß, musste ich eigentlich dringend mal zur Toilette - als mir auffiel, dass es in der Zelle gar keine Toilette gab. Nachdem ich mir die schwarze Wolldecke über den Kopf gezogen hatte, lockerten sich die unsichtbaren Gummibänder um meinen Brustkorb ein wenig. Kurz darauf war ich bereits eingeschlafen.

Zum ersten Mal öffnete sich meine Zellentür am Nachmittag, zur gemeinsamen Spiel- und Erholungszeit. Wie auf Eierschalen ging ich den Gang entlang. Die anderen Jugendlichen erschienen mir eher wie riesige wandelnde Baumstümpfe und nicht wie Teenager. In den ersten Tagen meines Aufenthalts entwickelte ich einen Überlebensplan. Ich wollte mich ganz im Hintergrund halten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und vor allem wollte ich meine riesige vorlaute Klappe endlich mal halten. In meiner ersten Woche in Hillcrest brachen direkt vor meiner Nase sechs heftige Schlägereien aus, und bei dreien davon ging es darum, wer als Nächster mit dem Billardspielen dran war. Ich rannte ein paarmal gegen Wände, weil ich aus Angst vor Blickkontakten meinen Kopf meistens gesenkt hielt. Vom Billardtisch hielt ich mich so weit wie möglich entfernt.

Ich atmete ein wenig auf, als ich aus der Abteilung für Neuankömmlinge, dem A-Flügel, nach oben in den C-Flügel verlegt wurde, in dem die jüngeren, meist hyperaktiven Kinder wohnten. Ich erfuhr, dass die Verhaltensregeln in diesem neuen Flügel längst nicht so streng waren. Auch spürte ich keine Notwendigkeit mehr, immer schnellstens in meine Zelle zu hasten, wie ich es getan hatte, sobald das Personal im A-Flügel uns den Rücken gekehrt hatte und alle Insassen wieder in ihre Zellen geschickt wurden. Die Betreuer im C-Flügel schienen im Umgang mit den Kindern viel offener und kontaktfreudiger zu sein. Hier fühlte ich mich sicher.

Eines Nachmittags wurde ich unerwartet aus dem Aufenthaltsraum gerufen. Kurz darauf merkte ich, dass ich Besuch hatte. Als mich der Betreuer über die Besuchsvorschriften instruierte, bekam ich vor lauter Aufregung Magenbeklemmungen.



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