Der Tote aus der Seine: Kriminalroman by Alexis Ragougneau

Der Tote aus der Seine: Kriminalroman by Alexis Ragougneau

Autor:Alexis Ragougneau [Ragougneau, Alexis]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fiction, General, Mystery & Detective
ISBN: 9783843715041
Google: Hz-PDQAAQBAJ
Herausgeber: Ullstein Buchverlage
veröffentlicht: 2017-03-10T12:32:22.264000+00:00


Als er die Augen wieder aufschlug, stand der Zug still. Er schaute hinaus. Gare du Nord. Er war allein im Waggon, eine einsame Silhouette. Wie lange mochte er in seine Gedanken und Erinnerungen abgetaucht sein? Die anderen Passagiere waren alle bereits ausgestiegen. Ein mit der Reinigung beauftragter Mitarbeiter in einem gelb-blauen Overall ging mit einem Müllsack in der Hand durch die Sitzreihen. Als er den verhutzelten kleinen Mann entdeckte, sagte er:

»Endstation, Monsieur. Heute geht’s nicht mehr weiter. Sie müssen aussteigen, Monsieur.«

Ganz benommen verließ Kern den Waggon. Kein Mensch begegnete ihm zu dieser späten Stunde mehr auf dem Bahnsteig. Schon im Centre Wresinski hatte er sich in seiner Erinnerung verloren und alles um sich vergessen, und auf der Rückfahrt war es ihm wieder so ergangen. Er brauchte gar nicht mehr nach Châtelet-Les Halles zu fahren – jetzt fuhr kein RER mehr nach Poissy. Gedankenversunken verließ er den Bahnhof, ging erst den Boulevard Magenta hinunter, dann den Boulevard Strasbourg, schließlich den Boulevard Sébastopol, getrieben von einer Dringlichkeit, deren Ursache er nicht genau hätte benennen können, es hatte mit dem brennenden Wunsch zu tun, endlich diese Depression zu überwinden, ins Leben zurückzufinden, denn er hatte genug von seinem Maulwurfsdasein in einem dunklen Untergeschoss.

Er überquerte die Place du Châtelet. Seit einer knappen Stunde war er nun schon unterwegs. Mit kleinen Schritten, wie ein verwirrter Greis aus dem Pflegeheim, trippelte er vorwärts – irgendwann hielt ihm ein Touristenpärchen den Stadtplan hin, weil es dachte, er habe sich verlaufen –, doch jetzt wusste er, wohin ihn sein Weg führte, und je mehr er sich dem Ziel näherte, desto größer wurde seine Entschlossenheit. In Höhe des Pont au Change überquerte er die Seine, dann bog er auf den Boulevard du Palais ein und ging die Rue de Lutèce entlang. Vor einer Bar traf er auf ein paar Nachtschwärmer. Einer von ihnen schwankte gefährlich, versuchte sich an einem Laternenpfahl festzuhalten und fiel der Länge nach aufs Pflaster. Er bog in die Rue de la Cité ein, lief am Hôtel-Dieu entlang und kam auf den Vorplatz von Notre-Dame. Die Kathedrale würdigte er keines Blickes. Diesmal war sein Ziel ein paar hundert Meter weiter entfernt. Noch fünf bis zehn Minuten. Er ging rascher, seine ungeheure Müdigkeit war plötzlich verflogen.



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