Der Teufelsvogel des Salomon Idler by Peter Dempf

Der Teufelsvogel des Salomon Idler by Peter Dempf

Autor:Peter Dempf [Dempf, Peter]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-09-05T22:00:00+00:00


15.

»Hört Ihr Leut’ und lasst Euch raten, unsre Uhr hat elf geschlagen, schließt die Läden, schließt das Tor …«

Der Gesang des Nachtwächters erklang kehlig aus der Gasse vor ihm. Langsam kam die Laterne auf Idler zugeschwankt. Dann hörte er die Stiefel auf der Erde knirschen und den Nachtwächter den Stab setzen. Idler drückte sich mit seinem übermannshohen Bündel in eine verschattete Ecke über dem Mittleren Lech. Vor ihm rauschte der Kanal, hinter ihm wuchs ein Weberhaus in den Nachthimmel. Für ihn selbst deutlich hörbar schlugen die Hölzer im Bündel aneinander, hart und hell. Der Nachtwächter trat auf die Querstraße hinaus, leuchtete mit der Laterne einmal den Weg hinauf, einmal hinunter, nahm aber dann die andere Richtung, lief singend und eng in seinen weiten Umhang gehüllt weiter.

Erst als er außer Sichtweite war, wagte sich Idler wieder auf den schmalen Uferstreifen vor dem Gebäude, lief über den Steg auf die Gasse hinaus, hastete drei Häuser weiter und klopfte dort ans Tor eines Färberhauses. Über dem Eingang hing ein Pfeil.

Forschend sah er sich um, bevor er in das sich langsam öffnende Tor hineinschlüpfte.

»Ist dir jemand gefolgt, Salomon?«

»Nein, Richard, niemand, soweit ich sehen konnte. Auch den Zigeuner konnte ich nirgends entdecken. Nur der Nachtwächter schwankte mir heute etwas stark.«

»Er hat wieder einmal zu tief ins Weinglas gesehen, der Trunkenbold. Irgendwann wird er im Suff mit seiner Laterne in einen Heustadel fallen und sich und die Stadt anzünden. Das könnte ich wetten. Ein Fanal nach seinem Geschmack.«

Richard kicherte vor sich hin.

»Hast du die Hölzer?«

Idler legte das Bündel vor Richard auf den Boden, wickelte es auf. Es waren gut zwei Meter lange, schlanke Stangen.

»Bestes Eibenholz, mein Freund. Was für Hellebarden gut ist, kann für uns nicht falsch sein, oder?«

»Die Landsknechte werden sich wundern, wenn die Stangen aus der Schmiede verschwunden sind.«

»Und sie werden nicht weiter danach suchen, denn das Holz lässt sich ersetzen. Sie werden im Gegenteil froh darüber sein, dass die Hellebardenblätter keine Beine bekommen haben.«

Plötzlich wurden beide ernst. Vor der Tür lärmte es. Stimmen klangen durch das Tor hindurch, verhaltenes Stöhnen, zwei, drei Schläge, unterdrückte Rufe. Stiefelschritte knirschten auf dem Kiesboden.

»Was ist das?« Richard flüsterte ihm die Frage ins Ohr.

Idler reagierte nicht. Es erschien ihm überflüssig zu antworten, wusste er doch selbst nicht, was er da hörte. Dann krachte ein Körper gegen das Tor, wurde wieder weggerissen und nochmals dagegengeschleudert. Gedämpfte Rufe und heftiges Klatschen waren zu hören. Etwas rutschte die Bretter entlang auf den Boden, dann war Ruhe. Stimmen flüsterten, aber weder Richard noch Idler konnten verstehen, was gesprochen wurde. Ein Scharren, Kratzen, Reißen von Leinen. Das ging so eine Weile. Hastig sich entfernende Schritte zeigten endlich an, dass das Ereignis vorüber war, im Moment jedenfalls.

Wieder näherte sich Richard Idlers Ohr, hauchte mehr, als dass er sprach:

»Sollen wir nachsehen?«

Idler nickte. Die Geräusche hatten in ihm durchaus ein Bild des Geschehens wachgerufen. Dort draußen war ein Mensch überfallen und ausgeraubt worden. Sie mussten nachsehen, ihre Christenpflicht gebot das. Der Arme war vielleicht noch am Leben, was Idler nicht glaubte, weil er keinerlei Stöhnen des Verletzten vernahm.



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