Der Stolze Orinoco Band 1 by Verne Jules
Autor:Verne, Jules [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783822410752
Google: vY4AAwAACAAJ
Herausgeber: Pawlak-Taschenbuch-Verlag
veröffentlicht: 1984-01-14T23:00:00+00:00
Bald darauf konnte man das durch einzelne Risse in der Staubwolke erkennen.
Hier bewegten sich Myriaden von Schildkröten, eine an die andre gedrängt, vorwärts. Das Ganze erschien wie eine ungeheure Fläche glänzender Schuppen, die, mehrere Quadratkilometer bedeckend, langsam wogend dahinglitt.
Auf dieser lebenden Fläche sprang eine Anzahl andrer Thiere umher, die sich, um nicht zermalmt zu werden, darauf hatten flüchten müssen.
Ueberrascht durch die Ueberfluthung der Ilanos, liefen und sprangen darauf eine Menge Heulaffen umher, die die Sache
»sehr spaßhaft« zu finden schienen – so drückte sich wenigstens der Sergeant Martial aus. Ferner bemerkte man mehrere Paare von Raubthieren, die in Venezuela heimisch sind, nämlich Jaguare, Pumas, Tiger, Ocelote, die alle hier nicht minder gefährlich waren, als wenn sie frei im Walde oder auf der Ebene umherstreiften.
Gegen diese Bestien vertheidigten sich zwei Männer mit Gewehr- und Revolverschüssen.
Schon lagen einige getroffen auf den Rückenschildern, deren auf- und abwogende Bewegungen es Menschen fast unmöglich machten, sich darauf zu halten, während die Vierfüßler und die Affen sich darum wenig kümmerten.
Wer mochten die beiden Männer sein? Weder Herr Marchal noch der Beamte konnten sie, der Entfernung wegen, erkennen.
Schon aus ihrer Tracht ging aber hervor, daß es weder Yaruros noch Mapoyos, noch überhaupt Indianer waren, wie sie im Gebiete des mittleren Orinoco vorkommen.
Vielleicht handelte es sich hier also doch um die beiden Franzosen, die nach den Ebenen im Osten hinausgezogen waren, und deren Rückkehr man schon so lange erwartete, vielleicht sollte Jean von Kermor – der ja gleich daran gedacht hatte – die Freude zutheil werden, seine Landsleute wiederzufinden.
Die Herren Marchal, Miguel, Felipe und Varinas, der Beamte und die ihn begleitenden Männer aus dem Orte waren stehen geblieben; es schien ihnen nicht rathsam, noch weiter vorzudringen. Von den ersten Reihen der Schildkröten nicht nur aufgehalten, sondern auch zum Rückzuge genöthigt, hätten sie zu den beiden Fremdlingen, die von den Raubthieren umschwärmt waren, doch nicht gelangen können.
Jean bestand zwar darauf, ihnen zu Hilfe zu eilen, da er gar nicht mehr daran zweifelte, daß die Beiden die halbverschollenen französischen Naturforscher seien.
»Es ist aber unmöglich, erklärte Herr Marchal, unmöglich und nutzlos obendrein! Wir würden uns großen Gefahren aussetzen, ohne ihnen Hilfe bringen zu können. Besser ist es, man läßt die Schildkröten ungestört bis zum Strome ziehen, wo sie sich von selbst zerstreuen werden…
– Gewiß, bestätigte der Beamte, doch wir sind von einer andern schweren Gefahr bedroht.
– Von welcher denn?
– Wenn diese Abertausende von Schildkröten auf ihrem Zuge nach la Urbana eindringen, wenn sie nicht bald nach dem Strome zu ablenken, so ist es um unsern Ort geschehen!«
Leider ließ sich gar nichts thun, eine solche Katastrophe abzuwenden. Nachdem sie um den Fuß des Cerro gezogen war, wälzte sich die langsame, unwiderstehliche Lawine auf la Urbana zu, wovon sie jetzt nur noch zweihundert Meter entfernt war. In der Ortschaft würde dann Alles zertrümmert und vernichtet werden. »Es wächst kein Grashalm wieder, wo die Türken vorübergezogen sind«, hat man früher oft gesagt –
es wäre auch kein Haus, keine Hütte, kein Baum oder Strauch unversehrt geblieben, wo sich diese Unmasse riesiger Schildkröten vorüberschob.
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