Der Schattengaenger by Feth Monika

Der Schattengaenger by Feth Monika

Autor:Feth, Monika [Feth, Monika]
Format: epub, mobi
Tags: Thriller
ISBN: 3570303934
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-05-20T22:00:00+00:00


Bert saß im Wartezimmer seines Freundes, Tennispartners und Arztes Nathan. Er hatte in letzter Zeit wiederholt Schmerzen in der Brust verspürt und sich jetzt endlich entschlossen, dem auf den Grund zu gehen. Er war ziemlich nervös, was ihn überraschte. Man sah seiner eigenen Endlichkeit nicht gern ins Gesicht. Hatte er geglaubt, das gelte nur für andere?

Die übrigen Wartenden blätterten in den ausgelegten Zeitschriften, doch Bert konnte sich nicht dazu aufraffen. Er fühlte sich schlapp und ausgelaugt. Am liebsten wäre er nach Hause gefahren, um sich ins Bett zu legen und einmal einen ganzen Tag durchzuschlafen.

Überhaupt hätte er gern einmal wieder richtig geschlafen. Stattdessen lag er nachts wach und starrte ins Dunkel, bis ihm die Augen brannten. Sämtliche Probleme kamen aus den Ecken hervorgekrochen, um sich auf ihn zu legen und ihm die Luft abzuschnüren.

Die Sprechstundenhilfe rief ihn ins Behandlungszimmer, obwohl er eigentlich noch gar nicht an der Reihe gewesen wäre. So deutlich bevorzugt zu werden, war Bert peinlich, aber er wehrte sich auch nicht dagegen.

»Wie schön, dich zu sehen«, sagte Nathan und kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen.

Sie umarmten sich auf Männerart, kurz und ungelenk, dann kehrte Nathan hinter seinen Schreibtisch zurück, und Bert nahm auf dem Besucherstuhl Platz.

»Ich hatte dich früher erwartet«, sagte Nathan.

Er redete Bert schon lange ins Gewissen, sich endlich einmal gründlich durchchecken zu lassen. Es gefiel ihm nicht, dass Bert kaum noch Tennis spielte, dass er Familie und Freunde vernachlässigte und den Großteil seines Lebens mit Arbeit verbrachte. Natürlich hatte er auch längst bemerkt, dass Berts Ehe auf äußerst wackligen Füßen stand.

Bert hasste es, wenn Nathan den Mediziner hervorkehrte. Er hatte schon oft überlegt, ob ein fremder Arzt für ihn nicht besser wäre. Der würde ihn nicht immer an seinen Schwachstellen packen und ihm nicht ständig dieses zähe, klebrige Schuldbewusstsein einflößen.

»Keine Zeit«, antwortete er. »Du weißt ja.«

»Und?«

Kurz und bündig. So gingen sie immer miteinander um, wenn sie die Gefühle außen vor lassen wollten. In diesem Raum war das Kräfteverhältnis zwischen ihnen nicht ausgewogen, anders als auf dem Tennisplatz.

Bert hatte sich die Worte zurechtgelegt, doch nun fielen sie ihm nicht ein. Das hier war eine Situation, die er nicht beherrschen konnte. Er blickte Nathan stumm in die Augen und fühlte sich ausgeliefert.

»Beschwerden?«, versuchte Nathan, ihm auf die Sprünge zu helfen.

Bert wollte gerade nicken, als er das Handy in seiner Taschen vibrieren fühlte. Mit einem entschuldigenden Schulterzucken nahm er das Gespräch an.

Nathan war der Vorwurf in Person. Während Bert leise telefonierte, klopfte er ungeduldig mit dem Ende seines Designerkugelschreibers auf die Krankenpapiere seines Patienten.

»Entschuldige bitte! Ich muss weg.« Bert stand hastig auf und stopfte das Handy in die Tasche zurück. »Ein andermal.«

Und damit war er schon aus der Tür, durchquerte im Laufschritt das Wartezimmer und sprang die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Er warf sich in seinen Wagen und brauste los.

Es war überraschend wenig Verkehr auf den Straßen und Bert kam zügig voran. Sein Blutdruck schien die Höchstmarke erreicht zu haben, er fühlte seinen viel zu schnellen Pulsschlag im Hals.

Wie gut, dass Imke Thalheim in Sicherheit war.



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