Der Ruf des Adlers by Nathalie C. Kutscher

Der Ruf des Adlers by Nathalie C. Kutscher

Autor:Nathalie C. Kutscher [Kutscher, Nathalie C.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historical
veröffentlicht: 2014-06-06T22:00:00+00:00


„Geschafft“, ächzte Christin, als sie den vollen Koffer verschloss.

Ein letztes Mal sah sie sich in dem Zimmer,in dem sie sich so wohlgefühlt hatte, um und nahm stillen Abschied. Dann hängte sie sich den Mantel um, schnappte sich den schweren Koffer und brach zu einem neuen Kapitel in ihrem Leben auf.

Der Abschied war tränenreich. Viele Leute aus dem Ort und natürlich Ruby und Jeremiah, waren gekommen um Abschied zu nehmen. Es folgten Umarmungen, Tränen und allerhand Verhaltensregeln. Nur Bertha und Camilla standen am Rande des Geschehens und kräuselten spöttisch die Lippen.

'Die beiden geben ein wunderbares Paar ab', dachte Christin im Stillen und grinste.

Ruby konnte sich kaum halten vor Trennungsschmerz. Immer wieder zog sie Christin in ihre Arme und weinte.

„Ich habe dir etwas zu essen eingepackt“, schniefte sie. „Blaubeerkuchen und Sandwiches. Ich lasse dich wirklich sehr ungern mit dieser Person fahren. Ich finde sie schrecklich“, meinte Ruby und verdrehte die dunklen Augen.

Christin lächelte schwach.

„Macht euch keine Sorgen. Im Handumdrehen bin ich wieder hier. Außerdem bin ich nicht alleine mit Tante Bertha. Mein Onkel Sean ist nett und zwei Cousinen habe ich auch noch“, versuchte Christin sich und Ruby zu beruhigen.

„Du schreibst uns aber. Versprich mir das“, drängte Ruby, und Christin gab ihr Ehrenwort.

„In den Sommerferien komme ich zu Besuch“, sagte Christin und sah aus dem Augenwinkel, wie Bertha mit ihrem spitzen Zeigefinger auf die Uhr deutete.

„Ich muss los“, seufzte sie und drückte ihre Freunde ein letztes Mal. „Ich habe euch lieb“, sagte sie leise und gab Jeremiah einen Kuss auf die Wange.

Christin drehte sich schnell um, als sie sah, dass auch in den Augen des schwarzen Hünen Tränen schimmerten. Benjamin kam nicht zum Abschied. Er sagte Christin bereits im Haus Lebewohl. Christin verstand das, der Abschied von dem Kleinen tat auch ihr besonders weh. Sie hielt Ausschau nach Ken und ging verlegen auf ihn zu. Er überreichte ihr ein kleines Päckchen und schob sich immer wieder nervös die Brille zurecht.

„Was ist das?“, fragte Christin überrascht.

„Nur ein Buch. Damit dir die Fahrt nicht zu langweilig wird“, antwortete er leise. „Christin, ich wollte dir noch einmal sagen, wie furchtbar leid mir alles tut. Ich hoffe, wir werden wieder Freunde.“

„Vergeben und Vergessen“, antwortete Christin. „Wir sind Freunde, Ken. Bevor ich es vergesse,“ sagte sie und kramte einen dicken Umschlag aus ihrer Manteltasche. „Das sind ein paar Indianergeschichten, die ich gestern Abend noch für Benjamin aufgeschrieben habe. Liest du sie ihm bitte vor? Und versprich mir, dass ihr, sooft es geht, zur Farm raus fahrt. Jeremiah freut sich über euren Besuch und bringt Benjamin das Reiten bei.“

Ken lächelte.

„Wird erledigt, Ma'am“, sagte er scherzhaft. „Danke für alles, Christin. Ich werde dich vermissen.“

„Ich habe zu danken“, antwortete Christin schüchtern und reichte Ken die Hand. „Ich muss jetzt gehen.“

Mit hängenden Schultern bestieg sie den Zug und warf einen letzten Blick auf die betrübte Menge. Ein kurzer Anflug von Zweifel stieg in ihr auf, doch dafür war es nun zu spät. Tante Bertha folgte Christin und schob sie unsanft durch das Abteil. Sie nahmen Platz und langsam setzte sich der Zug in Bewegung.



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