Der Mann, der Inseln liebte by D. H. Lawrence

Der Mann, der Inseln liebte by D. H. Lawrence

Autor:D. H. Lawrence [Lawrence, D. H.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455813807
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00


Die dritte Insel

Die dritte Insel war zügig bewohnbar gemacht. Zwei Männer bauten ihrem Besitzer aus Zement und großen Kieseln des steinigen Strandes eine Hütte und deckten sie mit Wellblech. Ein Boot brachte ein Bett, einen Tisch, drei Stühle, einen guten Schrank und einige Bücher herüber. Er legte einen kleinen Vorrat an Kohlen, Petroleum und Lebensmittel an – mehr brauchte er nicht.

Das Haus stand in der Nähe des flachen Kiesstrandes, wo er sein leichtes Boot an Land ziehen konnte. An einem sonnigen Augusttag fuhren die Männer ab und ließen ihn allein zurück. Das Meer war still und blassblau. Am Horizont sah er den Postdampfer langsam in nördlicher Richtung ziehen wie ein lebendiges Wesen, das übers Wasser schreitet. Zweimal wöchentlich fuhr der Dampfer die äußeren Inseln ab. Wenn die See ruhig war, konnte er, wenn nötig, zu ihm hinausrudern, oder er konnte von einer Fahnenstange hinter seiner Hütte Signale geben.

Ein halbes Dutzend Schafe war bei ihm auf der Insel geblieben, um ihm Gesellschaft zu leisten; außerdem hatte er eine Katze, die um seine Beine strich. Solange die lieblichen, sonnigen Herbsttage andauerten, schlenderte er zwischen den Felsen herum und über die federnden Salzwiesen seines Reiches und traf letztlich immer auf das ruhelose, unauslotbare Meer. Er sah sich jeden Halm an, der sich vielleicht von einem anderen unterscheiden könnte, und betrachtete das unaufhörliche Zusammenschrumpfen und Sichaufblähen des vom Wasser zerwühlten Seegrases. Kein Baum war da, den er hätte umsorgen können, nicht einmal ein Fleckchen Heide. Nur das Gras konnte er beobachten und die winzigen Wiesenpflänzchen, das Riedgras am Teich und die Algen im Ozean. Er war glücklich. Er wollte keine Büsche und Bäume. Sie standen da wie Menschen, aufrecht und allzu selbstbewusst. Seine kahle, niedrige Insel in der blassblauen See war alles, was er wollte.

An seinem Buch arbeitete er nicht mehr. Er hatte das Interesse daran verloren. Er saß lieber auf der flachen Erhebung seiner Insel und genoss den Anblick des Meeres; nichts als das blasse, stille Meer. Er fühlte, wie sein Geist benommen wurde wie von den Nebeln, die über den Ozean zogen. Manchmal sah er einen Schatten von Land wie ein Trugbild von Norden her auftauchen. Es war eine große Insel weit draußen. Aber wirklichen Bestand hatte sie für ihn nicht.

Schon bald erschrak er beinahe, wenn er den Dampfer am Horizont herankommen sah, und sein Herz zog sich vor Angst zusammen, dass er auf der Insel anlegen und ihn belästigen würde. Beklommen verfolgte er den Weg des Dampfers, und erst wenn er wieder außer Sichtweite geriet, fühlte er sich erleichtert und wieder mit sich selbst im Einklang. Qualvoll war seine Furcht, dass Menschen sich nähern könnten. Er wollte nicht, dass sich ihm jemand näherte. Er wollte keine Stimmen hören. Schon der Klang seiner eigenen Stimme bestürzte ihn, wenn er versehentlich etwas zu der Katze sagte. Er machte sich Vorwürfe, die tiefe Stille gestört zu haben. Es reizte ihn, wenn die Katze zu ihm aufsah und zaghaft miaute. Er stierte sie böse an. Und sie verstand. Sie verwilderte, lungerte in den Felsen herum und fing Fische oder tat sonst irgendwas.



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