Der Makedonier by Nicholas Guild

Der Makedonier by Nicholas Guild

Autor:Nicholas Guild
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-11-27T23:00:00+00:00


23

PTOLEMAIOS’ LEICHE WURDE in die alte Hauptstadt Aigai gebracht, wo alle Könige Makedoniens begraben lagen, und dort auf Alexandros’ Grab gekreuzigt. Sein Sohn Philoxenos, der die Schuld am Verrat seines Vaters mittragen mußte, wurde vor die Versammlung geführt und dort getötet, und zwar von denselben Männern, die weniger als drei Jahre zuvor seinen Vater zum Regenten gemacht hatten.

Perdikkas zündete als Oberhaupt der Familie den Scheiterhaufen seiner Schwester mit eigener Hand an, und ihre Überreste wurden in purpurne und goldene Tücher gewickelt und in einem goldenen Kasten in die Vorkammer des Grabes ihres Vaters gestellt. Eurydike wurde als Selbstmörderin nachts verbrannt, damit der Anblick die Götter nicht beleidigte, und ihre Urne in einem namenlosen Grab außerhalb der Stadtmauern verscharrt.

Alles, was in diesen ersten Tagen nach Ptolemaios’ Tod geschah, geschah nach Recht und Sitte, aber dennoch konnte nichts den Makel tilgen, der auf dem Beginn von Perdikkas’ Herrschaft lag. Es hieß, ihm würde als König kein Glück beschieden sein, denn seine Mutter hatte ihn mit ihren letzten Worten verflucht.

Am Anfang sah es auch so aus, als würde Perdikkas diese Vermutung bestätigen, denn alles, was er tat, war bestimmt von Angst. Er umgab sich mit Männern, die unter Ptolemaios in Ungnade gefallen waren, und diese wollten sich für die drei Jahre der Demütigungen rächen, indem sie den König drängten, alle treuen Anhänger des toten Regenten zu beseitigen. Es gab viele Verratsprozesse vor der Versammlung, so viele, daß die Makedonier unter Waffen ihrer müde wurden und sich dagegen sträubten, Männer zu verurteilen, deren einziges Verbrechen die Treue zu einem Mann war, den sie alle als Herrscher anerkannt hatten. Schließlich sah auch Perdikkas ein, daß die Prozesse unbeliebt und gefährlich waren, und machte ihnen ein Ende.

Aber die Angst verließ ihn nicht.

Er hätte sogar Angst gehabt vor seinem Bruder Philipp, wenn das möglich gewesen wäre. Aber Philipps Treue war so unverbrüchlich, daß nicht einmal Perdikkas an ihr zweifeln konnte, und außerdem schien Philipp kein Interesse an der Macht zu haben. Der Tod seiner Mutter und seiner Schwester hatte ihn offensichtlich zermürbt.

Er hatte seine Schwester Meda sehr gemocht, obwohl er sie nach ihrer Heirat mit Ptolemaios kaum noch gesehen hatte. Von seiner Mutter hatte er nur Abneigung und Nichtbeachtung erfahren, und deshalb traf ihn ihr Tod um so schwerer, denn es schmerzt tief in der Seele, wenn man um jemanden trauert, den man nie hat lieben dürfen. Ihr letzter und ungeliebter Sohn grub denn auch mit eigenen Händen ihr Grab und goß Trankopfer über ihre Urne, damit ihr Geist ein wenig Ruhe finden möge.

Philipp begann zu glauben, daß Eurydikes Fluch weniger Ausdruck ihres Kummers und ihres Wahnsinns, sondern, auf unheimliche Weise, die Stimme des Himmels war. In ihm wuchs die Überzeugung, daß das Haus der Argeaden irgendwie die Gunst der Götter verwirkt hatte und zu Ruin und Auslöschung verurteilt war. Zuerst Alexandros, dann Meda, dann seine Mutter – alle Opfer von Verrat und Wahnsinn. Aus dem engeren Kreis seiner Familie war nur noch Perdikkas übrig, und Perdikkas war inzwischen ein eifersüchtiger und furchtsamer König, der sich ihm beinahe bis zur Sprachlosigkeit entfremdet hatte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.