Der Krieg ist ein Menschenfresser by Carl Hanser Verlag

Der Krieg ist ein Menschenfresser by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2014-01-31T16:00:00+00:00


37

Feldwebel Pfals saß in einem Rollstuhl. Er war blass und in Begleitung eines Sanitäters. Sie gaben sich die Hand. Max freute sich. Irgendwie tat es gut, den Feldwebel wiederzusehen, weil der noch einmal davongekommen war. Und weil sie eine gemeinsame Zeit gehabt hatten. Das war doch kostbar. Max kniff die Lippen zusammen. Pfals saß einfach da, seelenruhig: Albert Pfals, der scharfe Hund.

»Ich wollte mich persönlich bedanken, Herr Fähnrich. Sie haben mir das Leben gerettet.« Pfals’ Stimme klang dünn, beinahe brüchig.

Max spürte, dass er vorsichtig sein musste. Doch gleichzeitig hatte er ein Gefühl von Überlegenheit. Im freundlichsten Ton, den er hinbekam, sagte er: »Wir haben beide Glück gehabt, Herr Feldwebel. Wenn die Patrouille uns nicht gefunden hätte ...«

»Sie kommen wieder auf die Beine, Fähnrich. Das ist die Hauptsache. Wo hat es Sie erwischt?«

»Rippen und Schulter, mehr nicht. Und Sie?«

»Streifschuss am Kopf, Glück gehabt. Und die Milz getroffen. Musste entfernt werden.«

»Sie leben«, sagte Max. »Immerhin.« Er wartete auf das, was Pfals eigentlich von ihm wollte. Er war vorbereitet.

»Sagen Sie, Quinte«, begann Pfals, »ich bin sicher, dass ich eine Ledertasche trug, als es mich erwischte. Was ist aus der geworden?«

»Eine Tasche?« Max spielte Gelassenheit. »Ich möchte auch etwas wissen, Herr Feldwebel. Was haben wir eigentlich da draußen gemacht? Auf wen haben wir geschossen?« Max war zufrieden mit sich. Seine Stimme war fest geblieben.

»Sie sollten lieber meine Frage beantworten«, sagte Pfals.

»Meinen Sie die Tasche, die Sie geholt haben? Ich habe sie nicht. Ich konnte ja nicht mal unsere Gewehre mitnehmen.«

»Es wäre schön, wenn ich Ihnen glauben könnte.« Pfals richtete sich auf. »Haben Sie mit jemandem darüber geredet? Sie müssen doch Meldung gemacht haben, Herr Fähnrich.«

»Ich, Meldung? Ich bin hier gelandet wie Sie. Und was sollte ich melden? Ich bin mit Ihnen gegangen. Ich weiß nicht einmal, wo wir waren. Geschweige denn, was wir gemacht haben. Auf wen haben wir geschossen? Ich hatte von Ihnen Antworten auf meine Fragen erwartet.«

Doch Pfals ließ sich nicht beirren. »Der Gefreite, der uns mit seiner Patrouille aufgegabelt hat, war sicher, dass Sie eine Ledertasche hatten. Wo ist die? Leider war ich bis gestern außer Gefecht.«

Max entgegnete aufgebracht: »Wollen Sie behaupten, dass ich lüge?«

Pfals’ Stimme wurde versöhnlich. »Quinte, ich mag Sie. Doch was Sie machen, ist gefährlich. Denken Sie daran, dass wir beide nur unsere Pflicht erfüllt haben. Hätte das nicht einen anderen Abschluss verdient?«

Max hielt es nicht mehr aus. »Ich weiß, was wirklich passiert ist! Sie reden doch um den heißen Brei herum. Das war Mord!« Er versuchte, entschlossen zu klingen.

Pfals zeigte keine Reaktion. »Wir hatten Sie anders eingeschätzt, Quinte«, sagte er. »Immerhin hat sich Ihr Vater für Sie verwendet. Sind Sie wirklich so ahnungslos, wie sie vorgeben, oder nehmen Sie mich auf den Arm?«

Sein Vater? Was hatte der mit all dem zu tun?

Der Feldwebel verlor nun wohl doch die Geduld. »Statt hier so nett mit Ihnen zu plaudern, Herr Fähnrich, könnte ich Ihren Kram durchsuchen lassen. Aber wir stehen ja zusammen. Oder?« Und ihm gelang ein verkrampftes Lächeln, während er seinen Rollstuhl drehte und wegfuhr.

Dieses ständige wir begann Max auf die Nerven zu gehen.



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