Der König von Taoro by Horst Uden

Der König von Taoro by Horst Uden

Autor:Horst Uden
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9788494150173
Herausgeber: Zech Verlag
veröffentlicht: 2014-11-24T00:00:00+00:00


Guayote, der Wutwehende

Nur wenige Menschen sind geistersichtig und glauben an Gespenster. Doch in den Sagen, Märchen und Legenden eines Volkes schlummern unheimliche Fabelwesen, die sich eines Tages verdichten, Gestalt annehmen und zu leben beginnen. Vorboten des Unheils, verlassen sie abgründige Höhlen und schlangenbevölkerte Grotten in dunkler Nacht, steigen aus unwegsamen Schluchten empor und machen die Menschen erschauern.

Käuzchenschreie, vom Himmel fallende Sterne, unterirdisches Grollen, Seebeben, Sturmfluten und Mondfinsternis künden ihr Kommen. Erst gehen sie in den Gesindestuben um und den Hütten der Armen, dann schleichen sie sich durch die angelehnte Tür ins Herrenhaus: ein Windstoß reißt das Fenster auf, im Kamin stürzt ein Scheit zusammen, das Licht verlöscht...

Grauschwarz gefiederte Riesenraben umflatterten mit unheilkündendem Krächzen die Glückliche Insel. Dezemberstürme umtobten den schneebedeckten Echeyde, graugeballte Wolken jagten wie apokalyptische Reiter über das weite Tal von Arautápala. Brüllend raste die See gegen die steile Felsküste, tief unter der Erde rührte sich Guayote, der Wutwehende: der Dämon stand auf und reichte dem Feinde die Hand, das edle Volk der Guanchen zu vernichten.

Frauen hatten ihn gesehen, wie er mit glasigen Augen durch die Dämmerung huschte und ihnen seinen heißen Atem ins Gesicht blies. Fischern hatte er die Binsennetze zerrissen, und sein Hohngelächter klang wie das Donnern des Meeres. Von den Höhen des Tigaiga hatte er riesige Felsen ins Tal gerollt, wie sie keines Menschen Hand zu lösen vermochte.

Zitternd saßen die Guanchen in ihren von Kienspänen erleuchteten Höhlen und horchten angstvoll dem Höllenkonzert, das um sie her tobte. Deutlich vernahmen sie die gellenden Schreie des Dämons, die das Pfeifen des Sturms übertönten.

Die Ur-Sage stand auf: erschauernd umhockten Männer, Frauen und Kinder den greisen Erzähler und lauschten vergangener Mär...

'Vor vielen, vielen Tausenden von Monden lebten die Guanchen in einem fernen Lande, in dem der Schnee auf den Bergen sommers und winters nicht schmolz. Karg waren die Ernten, dürftig ihre Nahrung, oft schlich das Gespenst des Hungers umher. Wilde Tiere umlagerten des Nachts ihre Höhlen, kriegerische Stämme fielen in ihr Land und raubten ihre Herden. Doch weil sie sehr tapfer, edel und genügsam waren, wurden sie die Lieblinge Acoráns, des Lenkers der Welt, und er beschloß, ihr Los zu bessern.

Zu dieser Zeit regierte sie ein Fürst, den sie den ›Großen‹ nannten. Er war ein weiser und gerechter Herrscher, seine Untertanen verehrten ihn wie einen Vater. Doch ein Hungerjahr folgte dem anderen, und wie sehr sie auch die knappen Vorräte einteilten und darbten, viele gingen dahin in den langen, bösen Wintern. Sehnsüchtig erwarteten sie die wärmende, fruchtspendende Sonne Acoráns.

An einem verschneiten Wintertag war es, als der Große vor seiner Höhle saß und traurig über die weite Ebene blickte. Diesen Winter würde keiner mehr von ihnen überleben... Da erfüllte ein Donnerschlag die Luft, ein Windstoß fuhr vom Himmel hernieder, und vor ihm stand ein strahlender Jüngling, einen blitzenden Speer in der Hand, der bis zur Sonne reichte. Es war Acorán, der Menschengestalt angenommen hatte.

Und also sprach der leuchtende Gott zu dem ehrfürchtigen Alten: ›Verlasse diese unfruchtbare Gegend und ziehe mit deinem Volke in der Richtung, in der die Sonne am Mittag steht, bis du in ein Land kommst, das die Staubgeborenen Mauretania nennen.



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